Vielen herzlichen Dank an die Nachhaltigkeitsforscherin Dr. Alexandra Hildebrandt für das Interview
Geschrieben:
Vielen herzlichen Dank an die Nachhaltigkeitsforscherin Dr. Alexandra Hildebrandt (http://dralexandrahildebrandt.blogspot.de/)
für die gestellten Interviewfragen. 😊🍵⛄🎩🐞🦋🐛🐝
Mal einige offenen Stellungnahmen – von persönlich bis politisch.
Von historisch bis aktuell. Vorsicht langes Interview!
 

Die Anfragen von unterschiedlichen Medienorganen sind ja teilweise schon schmeichelnd
und verursachen z.T. ein Denken der Art von: „Ich bin der ALLERGRÖSSTE! Das habe ich schon immer gewusst! Der SUPERALLERGRÖSSTE!“

Spätestens jedoch wenn man dann nachts im Dunklen auf dem Weg ins Badezimmer in die Katzentoilette tritt, wird
einem selber klar, dass das wohl nicht ganz so ist :-/. Naja, macht nichts.

Das Interview anbei:
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„Zögern bringt uns nicht voran!“
Interview mit dem Naturschützer Dr. Kai Behncke

Dr. Kai Behncke, Jahrgang 1975, ist Diplom-Geograf, Naturschützer, Tierliebhaber und Programmierer. Der Vater des gebürtigen Hamburgers war Lehrer, die Mutter Biologin. Abitur und Zivildienst in Berlin. Nach ersten Naturschutzerfahrungen und Kontakt mit der Anti-AKW-Bewegung zog er 1996 nach Osnabrück, um Geografie zu studieren. Längere Auslandsaufenthalte in Frankreich und Schottland. Es folgte das Studium „Umweltmonitoring“ in Vechta (2003-2006) und die Mitgestaltung eines kleinen Polit- und Kulturzentrums in Selbstverwaltung. Studienabschluss 2006, Promotion als Geoinformatiker 2011. Seit 2013 ist er mit seiner Frau Julia verheiratet, die ebenfalls im Natur- und Tierschutz engagiert ist. Als Programmierer und Geoinformatiker arbeitet er bei unterschiedlichen Trägern. Gründung des Gnadenhofes Brödel http://gnadenhof-broedel.de und der gUG Umweltschutz und Lebenshilfe https://www.umweltschutz-und-lebenshilfe.de/presse/ 2016 sowie des Projekte „Blumiger Landkreis Osnabrück“ http://blumiger-lkos.de.

„Herr Dr. Behncke, Sie sind im Bereich Tier-, Arten- und Klimaschutz engagiert.
Was tun Sie in diesen Bereichen konkret?“

Wir legen artenreiche Blühwiesen an, die eine wichtige Basis gegen das Artensterben sind, weil sie wie Magneten funktionieren. Zigtausende von Insekten tummeln sich hier, davon profitieren Vögel, Fische, Amphibien, Reptilien, Kleinsäuger. Insekten sind die Basis für unser aller Wohlbefinden. Sie stellen das Basiselement für die Artenvielfalt dar. Ohne Insekten herrschen Monotonie und Artenarmut vor, eine Welt, in der wir nicht wirklich leben wollen! Im Mai 2020 haben wir als minimales Basisgerüst den ersten Blühwiesenkorridor Deutschlands fertiggestellt. Über eine Länge von 35 Kilometern von Melle bis nach Hagen a.T.W. erstrecken sich 191 Blühflächen. 1400 Freiwillige haben hier mitgewirkt. Das Besondere ist, dass diese Flächen nicht „umgebrochen“ werden und aus regionalem Saatgut mit jeweils mindestens 40 Arten bestehen.

Es ist ganz entscheidend, dass die Böden der Blühwiesen über mehrere Jahre „in Ruhe gelassen“ werden, denn 75% aller Wildbienen nisten im Boden. Durch diesen Korridor ist natürlich längst nicht alles „gut“. Blühwiesen müssen gepflegt und ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden. Es gibt mangels ehrenamtlicher Zeit aber nicht einmal ein Monitoring, ob diese Pflege durch die Flächenbesitzer stattfindet, geschweige denn über sich dort entwickelnde Arten. Der Korridor ist also eher ein technisches Konstrukt als eine nachweisliche Rettung für Insekten. Zudem ist eine Entfernung von 1600 Metern von Blühwiese zu Blühwiese viel zu groß für viele Insekten. Zumindest ist es aber ein kleiner Anfang, was hier umgesetzt wurde. Zu Ehren der mexikanischen Umweltaktivisten und Schmetterlingsschützer Homero Gómez González und Raúl Hernández Romero – beide setzten sich leidenschaftlich und intensiv für den Schutz des Monarchfalters ein und wurden im Jahre 2020 mutmaßlich aufgrund von Landnutzungskonflikten, ermordet – wurde der Korridor in González-Romero-Blühwiesenkorridor getauft.

Dazu werden Baumpflanzungen durchgeführt, um etwas für das Mikroklima zu leisten. Wir errichten viele Nisthilfen, schaffen Streuobstwiesen und Feuchtbiotope. Zudem wird der Gnadenhof Brödel betrieben, um einen kleinen Tropfen dazu beizutragen, dass Lebewesen vor dem Schlachthaus oder der Euthanasie gerettet werden. Mit 3 bis 4 Menschen lässt sich die Welt im Kleinen verändern. Häufig sind wir nur zu weit. Manchmal aber auch zu zehnt. Und manchmal auch 50. Wir Menschen gehen oftmals verantwortungslos mit der Bewahrung von Leben um. Wir scheitern nicht selten an der „Bewahrung der Schöpfung“. Aktuell leben hier über 100 Tiere, vorzugsweise Gänse, Enten, Hühner, Schafe und Ziegen. Tiere sind auch nicht anders als wir Menschen. Sie wollen leben, benötigen ein zu Hause, eine medizinische Versorgung und haben Hunger. Unser Verhalten gegenüber Tieren in der Gesellschaft sagt viel über uns Menschen aus.

„Ab April planen Sie den Start des neuen Projekts 500 AKA – 500 Aktiv für Klima- und Artenschutz. Können Sie dazu schon Detailliertes sagen?“

Geplant ist ein Mitmachprojekt http://500-aktiv-fuer-klima-und-artenschutz.de. Es macht keinen Sinn, im Bereich Arten- und Klimaschutz auf Dauer etwas „vorzuturnen“ – wir ALLE müssen aktiv werden, sonst verlieren wir. Zum Glück gibt es mittlerweile viele Anfragen von Menschen, die mitwirken wollen. Wenn alles funktioniert, dann schaffen wir in dem Projekt (mit vielen Beteiligten) Mitmachflächen und stellen die Materialien für die Biotopgestaltungen zur Verfügung (Setzlinge, Saatgut, Lehm, Steine, Nistkästen etc. – alles, was wir für bessere Lebensbedingungen in der Natur so brauchen). Und dann kommt es darauf an: Wer ist wirklich bereit, bei gleißender Sonne oder strömenden Regen, sich für Artenvielfalt und Klimaschutz stark zu machen? Geplant ist zudem, dass alle Mitwirkenden natürlich eine Verpflegung erhalten. Tierleidfrei, mit hoher Berücksichtigung von CO2-Äquivalenzwerten. Die Frage, ob noch einige Generationen mehr auf diesem Planeten dürfen, hängt maßgeblich von unserer Ernährung ab.
Fleisch, Butter und andere Milchprodukte sind dabei die größten Klimakiller.

„Aktuell ist das als unabhängig vom Blumiger-Landkreis-Projekt anzusehende Unterfangen “500 AKA” noch in der Planungs- und Vorbereitungsphase. Anvisiert wird (abhängig von Corona) ein Start im April 2021
Weshalb haben Sie Ihr Engagement gerade auf diese Schwerpunkte gelegt?“

Arten- und Klimaschutz ist die Basis für unser aller Wohlbefinden. Eine hohe Biodiversität ist ein wirksamer Schutz gegen Pandemien. Corona jedoch ist ein Spaziergang, gegen das Leid, welches uns in den nächsten Jahrzehnten durch die Klimaerwärmung erwartet. Wir müssen gemeinsam massiv handeln! Mit aller Vehemenz! Mit weniger Sinn nach „Eigennutz“ und monetärem Vorteil. Geld schießt keine Tore!

„Haben Sie sich schon früher engagiert?“

Ich war sehr aktiv in der Anti-AKW-Bewegung. Etwa sieben bis acht Jahre habe ich mich in der „Linken Szene“ getummelt: Antifaschismus, Flüchtlingsbewegung, Globalisierungspolitik, Einsatz für linke Freiräume. Basis-Engagement ist etwas, was mich schon lange begleitet. In jungen Jahren habe ich auch schon mal an einer Hausbesetzung teilgenommen oder bei einer Demo gegen die NPD einen Tag in „Verhinderungsgewahrsam“ in einer Zelle verbracht.
In der Autonomen Szene gab es die tendenziellen „Flügelkämpfe“ zwischen AnarchistInnen und KommunistInnen. Ich konnte immer etwas mehr mit einem Kommunismus anfangen, auch wenn ich nicht (mehr) glaube, dass darauf ein gesellschaftlich umfassendes Modell aufzubauen ist. In der „Sturm-und Drang-Zeit“ gab es auch hier und dort auch mal ein blaues Auge. Nicht alles war rückblickend richtig.

Viele dieser Erfahrungen sind in aktuellen Projekten oder Diskussionen „Gold wert“. 2013 und 2014 war ich schwer erkrankt. Die jetzige Zeit ist ein Bonus, ein Geschenk, das ich definitiv im höchsten Maße zu würdigen weiß. Eigentlich war die Uhr abgelaufen. Jetzt ist es an der Zeit, zurückzugeben. Dem Planeten. So ist der Deal, mit mir selber! Ich persönlich, rein subjektiv, habe irgendwann für mich selber entschieden, den größtmöglichen Nutzen nicht auf politischer Ebene, sondern in der Direktanlage von Biotopen schaffen zu können. Hier kann ich sehr konkret sehen, dass etwas vorangeht, ich kann direkt sehen, wer z.B. von Wildblumenwiesen oder einem Feuchtbiotop profitiert. Allerdings ist es nur ein Wirken auf der Mikroebene – das große „Drumherum“ wird kaum berührt. Das ist die Kehrseite der Medaille.
Naturschutz ist hochgradig politisch. Man kommt nicht drumherum, sich hier in der einen oder anderen Form politisch zu äußern, schon um das Tempo zu forcieren. Eine zuweilen weniger zögerliche Handlungsbereitschaft in Bereichen des Arten-, Klima- und Tierschutzes und deutlich mehr Vehemenz wünsche ich mir oftmals! Zögern bringt uns nicht voran! Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Mit jedem Tag unnötiger Diskussion verlieren wir eine Fülle von Lebewesen und planetaren Grundlagen. Zudem ist längst alles gesagt worden. Tausendfach! Das sich ewig wiederholende Gequatsche macht mich krank!

„Inwiefern beeinflusst die Corona-Pandemie Ihre Arbeit?“

Viele Spenden sind weggebrochen. Das Hauptproblem jedoch ist, dass wir aktuell nicht mit vielen Menschen gemeinsam Biotope anlegen können. Viele Menschen wollen etwas tun, aber die Rahmenbedingungen erlauben es nicht.

„Welche Möglichkeiten nutzen Sie, um auf Ihr ehrenamtliches Engagement aufmerksam zu machen? Wie sind Ihre Erfahrungen mit anderen Aktivisten, Politikern etc.? Welche Erfahrungen haben Sie berührt?“

Regelmäßig berichten wir von unseren Aktionen auf unserer Website http://umweltschutz-und-lebenshilfe.de sowie auf Facebook: https://www.facebook.com/profile.php?id=100013897084623
https://www.facebook.com/GnadenhofBroedel
Und Instagram:
https://www.instagram.com/gnadenhof_broedel/
Wir nehmen die Menschen mit in unserer Alltagsarbeit, berichten schonungslos von Frust, Ärger, Liebe, Hoffnung und Freude. All diese Emotionen gibt es hier tonnenweise. Ich führe die Alltagsarbeit sehr emotional durch, ein ausgezeichneter Motor auch für sachlich-administrative Tätigkeiten.

„Sie streiten sich auch sehr viel?“

Ja, mein Arzt sagt, ich solle das sein lassen, es geht aber nicht anders. Wir haben nur die ungefähr 80 mickrig-lächerlichen Jahre, um etwas zu bewegen. Erdgeschichtlich ist das ein Staubkorn eines Staubkorns. Ein Mikro-Staubkorn. Ich beobachte dann ziemlich genau, wie Menschen auf Streit reagieren. Das sagt sehr viel darüber aus, ob man mit diesen Menschen zusammenarbeiten kann. Ich bin oft positiv überrascht, wie vermeintliche „politische Opponenten“ Streit konstruktiv nutzen. Das zeigt sehr schnell, mit welchen Menschen ein gepfefferter gesellschaftlicher Diskurs und dennoch eine aktive Zusammenarbeit möglich ist – und mit welchen Menschen nicht. Dazu gehört natürlich die Bereitschaft aller Teilnehmer, sich hier und dort auch etwas zu hinterfragen. Mindestens einmal wöchentlich stelle ich fest, dass ich in irgendeinem Sektor ein ziemlicher Idiot war – in den unterschiedlichsten Bereichen. Es hilft dann zuweilen, etwas zu ändern, wenn man es denn kann. Gleichzeitig hilft es manchmal, sich nicht fürchterlich ernst zu nehmen. Ersetz- und austauschbar sind wir alle. Sind wir nicht mehr da, dann kräht da spätestens nach zwei Tagen kein Hahn mehr nach. Diese Erkenntnis ist irgendwie ganz befreiend – und sorgt gleichzeitig dafür, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit erreichen zu wollen. Morgen kann schon alles vorbei sein, ein Unfall. Eine Krankheit. Und dann? Dann ist man Geschichte und es ist dann auch irgendwie egal.
Offen gesagt: Die Erfahrung des Naturschutzes hat (mir persönlich) gezeigt, dass wirksame Projekte oftmals sehr gut mit Menschen durchzusetzen sind, die politisch nicht zwingend „auf einer Wellenlänge“ mit einem selbst liegen. Mich hat das zuweilen positiv überrascht. Zuweilen arbeite ich mich „Hardcore-Konservativen“-Menschen zusammen, die teilweise fast schon radikal reaktionär sind. Schwärzeste CDU, am rechtesten CDU-Rand. Na und? Aufgrund ihrer Authentizität und Zielstrebigkeit macht diese Arbeit Sinn und bringt wertvolle Resultate. Manchmal nutze ich diese Erfahrungen, um mich in meinen Grundwerten zu durchleuchten – das passiert sehr oft. Große Selbstzweifel und nicht wenige Selbstvorwürfe sind hier ein täglicher Begleiter des eigenen Handelns. Eigene „Erfahrungsgerüste“ brechen schon ab und zu auch mal komplett zusammen. Das ist manchmal frustrierend, schließlich benötigen wir Gerüste, um uns daran festzuhalten. Und definitiv auch motivierend zugleich. Ich habe mich schon „Nase-an-Nase“ mit Menschen angeschrien und gestritten und hatte Zweifel, dass etwas Produktives dabei rumkommt. Dann haben wir gemeinsam ein Bier getrunken und überlegt, wie wir die unterschiedlichen Ansätze für mehr Arten- und Klimaschutz einsetzen können. Sie glauben gar nicht, was da teilweise für schöne Einzelprojekte draus geworden sind, selbst wenn es sich teilweise nur um kleine Biotope handelt!

„Was waren Ihre schlimmsten Erfahrungen im Naturschutz?“

Ich habe sie vor allem mit jenen Menschen gemacht, die „Umweltbewusstsein“ predigen, aber im Reden meilenweit dem eigenen Handeln hinterherhinken. Manchmal wirkt es so, als ob diese Menschen eigentlich nur Naturschützer suchen, die sie als günstige Hilfsgärtner einsetzen können. Bloß nicht selbst den entsprechenden Aufwand betreiben wollen und immer eine Ausrede finden, um nicht selbst aktiv zu werden. Auch von diesem Klientel kenne ich mittlerweile eine ganze Menge. Genau dann, wenn es um Fragen wie Aufwand, Geld, Verzicht, Einsatz, ein unbequemes Verlassen der eigenen Trägheit geht, bin ich manchmal negativ überrascht. Aber auch da muss man sich wohl selbst hinterfragen: Es ist mir offensichtlich nicht gelungen, diese Menschen zum eigenen Handeln zu animieren. In dem Augenblick habe ich als motivierender Naturschützer versagt.
Persönlich frustrierend ist es, wie viele GRÜNE PolitikerInnen ich in den letzten vier bis fünf Jahren kennengelernt habe, die genau so „gehandelt“ (oder besser: „nicht gehandelt“ haben). Das hat mein GRÜNES Weltbild langsam und stetig „ausgehöhlt“ und mir gezeigt, dass ich mich scheinbar in Teilen in einer Traumwelt (mit völlig unrealistischen Hoffnungen und Ansprüchen) befunden habe – in unschöner Allianz mit manchen Stellungnahmen der Parteispitze. Meine politische Heimat habe ich verloren, das ist noch gar nicht lange her. Das ist für mich persönlich gerade ganz aktuell das bestimmende Thema, welches seit etwa zwei bis drei Monaten meinen Kopf zermartert. Sehr schmerzlich – auch das ist eine persönlich sehr berührende Erfahrung, verbunden mit vielen Emotionen. Zum Glück ohne Einfluss auf die eigene Motivation.
Und natürlich kann man nirgendwo „alle in einen Topf“ werfen. Ich kenne selbstverständlich auch eine ganze Menge GRÜNE PolitikerInnen, die authentisch sind und den kleinen Funken „Glauben-an-wirksamen-Naturschutz-auf-politischer-Ebene-gepaart-mit-eigenem-Handeln-und-eigener-Opferbereitschaft“ nicht völlig verlöschen lassen. Vielfach habe ich jedoch erlebt: „Laber! Laber! Laber! IHR seid die Naturschützer! Macht Ihr das mal!“ Die Entfernung zur Basis ist da manchmal erschreckend groß. Ich persönlich kann damit nicht viel anfangen, muss ich aber zum Glück auch nicht. Weiter geht es so oder so. Vielfach haben es sich einige scheinbar in der „grünen Ecke“ ganz behaglich gemacht und vergessen dabei, dass politische Strömungen einem steten Wandel unterliegen – täglich! Die GRÜNEN werden bei den kommen Wahlen an Relevanz gewinnen. Mich freut das! Das ist Ausdruck einer Wertschätzung der WählerInnen für jahrzehntelange wichtige Arbeit. Ich gönne es den GRÜNEN von Herzen. Denn unzweifelhaft ist: Hätte es die GRÜNEN nicht gegeben, der Umweltschutz in der Bundesrepublik wäre eine noch größere Komplettkatastrophe, als er es jetzt ist. Die GRÜNEN haben es in der Hand umfassende Geschichte zu schreiben? Oder für einen Machtanspruch auf Ideale zu verzichten. Es sind die klassischen Flügelkämpfe, die es in jeder Partei, Bewegung, Strömung gibt. Das Salz in der Demokratie. Der Pfeffer einer jeden Bewegung!
Und gleichzeitig gilt: Passivität und Selbstzufriedenheit kann zu Erosion führen, schneller als so manch einer glaubt. Überall in der Republik arbeiten Menschen gerade an einer Strömung, die etwas zielstrebiger und dynamischer handelt und denkt. Vielleicht ein Prädikat der Jugend. Das Pendant zu den GRÜNEN der frühen 80er-Jahre. Ich finde das großartig! Das kann die Gesellschaft mit all ihren Akteuren positiv befruchten. Insbesondere die GRÜNEN können davon profitieren, wenn sie es denn wollen. Wenn die GRÜNEN es schaffen, auch die Utopisten mitzunehmen, dann sind große Dinge möglich. Die Orientierung zur Mitte hin und der zuweilen schon blockierende Machtanspruch ist meiner Meinung nach nicht hilfreich. Da braucht sich niemand wundern, wenn sich am GRÜNEN-Utopistenrand Menschen frustriert und konsterniert abwenden. Aber ich bin auch nur ein kauziger Vogel, vielleicht irre ich mich auch.
Gesichert ist: Wer in den nächsten 20 Jahren keine sinnvollen und authentischen Arten- und Klimaschutzkonzepte auf politischer Ebene präsentieren kann – der fliegt aus den Parlamenten! Ich persönlich freue mich, dass dann die FDP endlich Geschichte sein wird. Eine gewisse Radikalität, so wie sie der stellvertretende Chefredakteur der Zeit „Bernd Ulrich“ in seinem Buch „Alles wird anders“ beschreibt, ist zwingend notwendig!
Das WählerInnenpotenzial dieser Klimalisten-Alternativbewegung liegt, je nach Bundesland, bei ein bis maximal zwei Prozent. Das ist dann eben so. Alles fängt im Kleinen an. Das ist kein Grund, es sein zu lassen oder nicht zu versuchen, denn die Alternative kann Trägheit oder Stagnation sein. Wenn ich Menschen höre, die sagen, das schadet der Bewegung, dann sehe ich das anders. Das ist eher ein hilfloser Versuch, GRÜNEN Machtanspruch zu sichern und hat wenig mit Basisströmungen und Basisbewegungen zu tun. Es ist meiner Meinung nach von großem Nutzen für die Bewegung – und scheint ja auch einige Personen „aufzuwecken“. „Naaa, könnt Ihr auch nicht schlafen?“ ist hier die entscheidende Frage. In Freiburg beispielsweise holte 2019 die zusätzlich zu den Grünen antretende „Grüne Alternative“ 6,5 Prozent. Es soll sich mal niemand in seinem grünen Kuschelnest zu sicher sein. Gleichzeitig glaube ich, dass sich viele GRÜNEN ihrer Herkunft besinnen und sich ein Kampfgeist zu entwickeln scheint. Das freut mich sehr!

„Können Sie sich vorstellen, sich selber zu politisch zu engagieren?“

Auch im Raum Osnabrück gibt es einige Menschen, aus der Klimalisten-Bewegung. Die Bewegung spielt auch hier, als kleine Basisbewegung, eine größer werdende Rolle. In den letzten Monaten gab es hier schon einigen zeitlichen Input, weil die Frustration über bestehende Muster nicht mehr wegzudiskutieren ist. Und gleichzeitig ist ja auch nicht alles „schlecht“. Ich kenne diverse KommunalpolitikerInnen unterschiedlicher Parteien, zudem teilweise auch zudem noch sehr sympathisch, denen ich es authentisch abnehme, dass sie Umwelt- und Klimafragen vehement auf die Agenda setzen. Auch das möchte ich unbedingt betonen! Allen KommunalpolitikerInnen nun Zögerlichkeit und Passivität vorzuwerfen, wäre absurd und völlig unangemessen. Viel hängt hier von unseren kommenden Projekten ab. Scheitern Projektanträge, dann kann es sein, dass es eher in eine politische Richtung geht. Kommen Projektanträge durch, dann bleibt keine Zeit. PolitikerInnen und NaturschützerInnen arbeiten in der Regel im Ehrenamt – nach ihrem Arbeitsleben. Kommen unsere Projekte durch, dann fokussieren wir unsere Zeit ausschließlich auf diese.

„In welchen Themen ist Ihrer Meinung besonders viel Bewegung in Social Media? Und was ist schwieriger zu vermitteln?“

Tüddel-Fotos gehen immer. Themen mit wenig Inhalt und viel Herz-Komponenten laufen regelmäßig ganz hervorragend. Das ist einerseits schön, andererseits logischerweise etwas oberflächlich. Meiner Meinung nach ist inhaltliche Tiefe über Kausalzusammenhänge viel wichtiger! Studien, Bücher seriöser WissenschaftlerInnen, Meinungen, Kolumnen unterschiedlicher Zeitungen, auch abseits des eigenen Kampfblattes. Vielen Menschen jedoch sind solche Beiträge zu anstrengend. Es ist schön, wenn sich Menschen dafür interessieren, ob unsere Ziegen „Ernie“ oder „Emil“ (oder wer auch immer) überleben, mich freut dann diese Anteilnahme sehr. Es macht mich jedoch traurig, wenn dann am nächsten Tag, völlig frei von Selbstkritik, ein billiges Hähnchenschnitzel im Supermarkt gekauft wird. Wie kann das sein? Was ist da los? Das ist ungefähr so, als ob man beim jährlichen Fest des lokalen Tierheims eine Bratwurst bestellt. Das ergibt keinen Sinn! Die einen möchte man schützen und behüten, und die Anderen sollen ihr kurzes Leben im Schlachthof verlieren? Das ist ambivalent! Allerdings war ich mehrere Jahrzehnte auch nicht anders – in diesem Sinne ist wohl einmal mehr „an die eigene Nase fassen“ angesagt.
Mich macht es zuweilen allerdings schon etwas fassungslos, wie viele Menschen sich freuen, wenn ein vom Tode bedrohtes Tier (nennen wir es an dieser Stelle „Grünfink“) durch eine Intensivtherapie überlebt, aber die eigentlich wichtigen Basis-Maßnahmen („Biotopgestaltung“), die Handlungen, welche die Basis für ein Überleben darstellen, als zu mühselig empfinden. Alles hängt mit allem zusammen! Jeder Handschlag – in Bezug auf Biotope – rettet Leben! Mit jeder eingepflanzten Heckenrose, mit jeder eingepflanzten Schlehe sorgen wir dafür, dass tierische Individuen weiterleben können. Es macht Mut und motiviert, wenn ich sehe, wie viele Menschen mittlerweile bereit sind, sich auch mal einige Tage am Stück, mit eigenem Geld einzubringen und etwas erschaffen. Das letzte Wort auf diesem Planeten ist noch nicht gesprochen.

„Weshalb ist Ihnen der YouTube-Kanal besonders wichtig?“

Hier werden Inhalte https://www.youtube.com/channel/UCza7czZJAJh_ffy7BsB6Ofw vermittelt, welche auch ohne großen Aufwand konsumiert werden können. https://www.youtube.com/watch?v=ltgE0sbpKJ0

„Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, um sich für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu engagieren?“

Möglichkeiten wie Sand am Meer. Es ist so simpel und einfach. Selbst wenn man keinen Nachhaltigkeitsbeauftragen in seinem Unternehmen beschäftigt. Auf eigenem Firmengelände lassen sich die unterschiedlichsten Biotope gestalten. Blühwiesen, Feuchtbiotopen, Streuobstwiesen und, und, und. Und wenn die Belegschaft mitwirkt, dann identifiziert sich diese schnell auch mit dem mit eigener Hände Arbeit geschaffenem Ergebnis. Selbst Schweiß beim Naturschutz zu vergießen ist das wirksamste Rezept, um dessen Bedeutung zu schätzen. Und: Wir haben ein Flächenproblem im Naturschutz. Jeder m² Wildheit hilft.

„Welche Projekte realisieren Sie mit dem Familienunternehmen Häcker Küchen? Und wie kam die Zusammenarbeit zustande?“

Ein Mitglied unserer Naturschutzgruppe arbeitet dort. Häcker Küchen ist ein ausgesprochen positives Beispiel für ein hohes Nachhaltigkeitsbewusstsein. Der Nachhaltigkeitsfilm dieses Unternehmens motiviert und inspiriert. Wir haben z.B. bereits gemeinsam Blühwiesen in der Gemeinde Ostercappeln angelegt und dort schon die ein oder andere Stunde gemeinsam geackert. Aktuell befinden wir uns in Gesprächen, um auch im Projekt „500 AKA – 500 Aktiv für Klima- und Artenschutz im Landkreis Osnabrück“ etwas nach vorne zu bringen. Es gab da schon einige Zoom-Konferenzen. Mich beeindruckt, wie viele Menschen sich bei dieser Firma die Zeit nehmen, um gemeinsam etwas für Klima- und Artenschutz umzusetzen. Vom Geschäftsführer über die Marketingabteilung bis zum Nachhaltigkeitsteam. Das sind die Momente, an denen man sich aufrichten kann, wenn es einmal nicht so läuft.

„Die Ergebnisse der Naturbewusstseinsstudie 2019 belegen eine Steigerung des Bewusstseins für biologische Vielfalt in Deutschland. Auch Schutzgebiete findet eine große Mehrheit der Deutschen wichtig, um die Natur für nachfolgende Generationen zu erhalten. Wie spüren Sie dies im Ehrenamt?“

Ich stelle eine kontinuierlich wachsende Nachfrage nach Mitgestaltung von Biotopen bzw. Aktivitäten für den Klimaschutz fest. Diese stammen von Firmen, die
gemeinsam mit ihren Mitarbeitern „etwas machen wollen“ sowie von Einzelpersonen, Schulen und Vereinen. Es sind viel mehr Anfragen, als unsere Naturschutzgruppe „bedienen“ kann.