Verleihung des taz-Panter-Preises in Berlin. Die Ereignisse :-)
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Freitag, 11.11., Teil 1

Die Hamburg-Reise mit Pony Nika war ein Volltreffer. Heute geht’s nach Berlin. In Berlin soll es von Autos nur so wimmeln. Ich mag Autos nicht besonders, habe aber selber eins. Einen alten Fiat Diesel, mit dem ich alles Mögliche für Gnadenhof und Umweltschutzprojekte transportiere. Besonders umweltfreundlich ist das nicht muss ich eingestehen. Bin vermutlich dadurch doch nicht so ein großer Umweltengel wie ich gerne wäre beziehungsweise habe somit auch eine Umweltbilanz, an der ich noch so einiges verbessern muss und möchte. Naja, wäre ja auch komisch, wenn es anders wäre. Das Ding muss aber noch mindestens 50.000 Kilometer fahren, damit sich die Produktions-Emissionen amortisiert haben. Dann ist es hoffentlich Zeit für ein günstiges E-Fahrzeug.
Nach Berlin fahren wir mit dem Zug. Ich nehme meine Watschelfreunde die Laufenten mit. Die lassen sich kein X für ein U vormachen. In der Großstadt habe ich immer gerne Unterstützung dabei.

Mein Plan ist es, auf dem Weg zur Preisverleihung gegen die Auto-auf-dem-Bürgersteig-Park-Mafia vorzugehen. Vor 30 Jahren hat das schon mal jemand gemacht. Michael Hartmann aus München, galt als ein wenig „verschroben“ und „sonderlich“, vermutlich war er seiner Zeit einfach weit voraus. Wann immer ihm ein Auto im Weg stand ist er einfach darübergeklettert.
Das sorgte sogar bei einem Tagesschau-Sprecher (Jo Brauner) für einige Lacher: https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video1223240.html

Konkret geht es um „Carwalking“: https://de.wikipedia.org/wiki/Carwalking

Hier ein Bericht zu Michael Hartmann aus dem ORF: https://www.youtube.com/watch?v=YT0VGup1jns

Völlig Unrecht hatte der junge Mann nicht! Die Innenstädte den Autos zu überlassen war schon damals der völlig falsche Weg! Umso mehr aktuell in der Klimakrise. Hätte man mal auf Michael gehört! Neuerdings werden Straßen verkleinert, neue Radwege entstehen. Ich finde das prima und möchte meinen Teil dazu beitragen. Wenn ich jedoch selber über die Autos klettere, dann sind sie kaputt. Das will ich nicht, ist immerhin Besitz von Anderen, das nehme ich ernst. Also nehme ich meine Laufenten mit, die sollen das übernehmen.
Berlin ist übrigens die Hochburg der „Extinction Rebellion“/Letzte Generation-Aktivisten. Die kleben sich oft an Straßen und Bildern fest. Auch dazu gibt es einiges zu sagen.


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Freitag, 11.11., Teil 2
Wir sind in Berlin angekommen. Die Enten und ich fahren mit der U-Bahn nach Friedrichshain. Wir sind sicher, hier im noch „halbswegs-teilweise-Kiez“ einige Kraftfahrzeuge zu finden, denen wir es nach Strich und Faden besorgen können.
Und da haben wir ein besonders schönes Exemplar. Ein dicker, fetter SUV. Parkt direkt auf dem Bürgersteig, vor einem Bioladen. Ein Bildungsgewinner steigt aus, grinst breit durch seine Nickelbrille und latscht mit seiner Batikhose schnurstracks in die Körnerbude hinein. Diese Leute kenne ich zur Genüge. 2 mal im Jahr in den Urlaub fliegen (ohne Flugkompensation natürlich!), möglichst weit weg. Natürlich SUV-fahren, Mitglied im „Bundesverband Deutscher Elterntaxis“ sein, einmal die Woche Dinkel-Sonnenblumenbrot und Mate-Tee im Körner-Hippie-Laden um die Ecke kaufen. Niemals aber würden sie politisch unkorrekte Wörter in den Mund nehmen, z.B. „Indianer“ oder „Zigeunerschnitzel“ oder so. Und sie hoffen auf eine schneller fortschreitende Gentrifizierung des Kiezes, damit die Eigentums-Zweitwohnung bald eine bessere Rendite abwirft.

Der dicke fette SUV tuckert und tuckert vor sich hin. „Kommando Stillgestanden!“, schreie ich meine Laufenten an. „Und jetzt: Marsch! „Kommando Drüberlatschen!!“ Ab übers Auto !!!“ 10 wild entschlossene Laufenten watscheln quer über die Motorhaube und die Windschutzscheibe aufs Dach. Springen dort einige Male glücklich herum und erleichtern Blase und Darm. Ich stopfe Kartoffeln in den Auspuff, festkochend!
Die Nickelbrille verlässt die Körnerbude: „Ey, was soll der Scheiß!“ krakehlt er. Die Laufenten pfeifen zurück: „Das ist unser Gehweg. Und unsere Atemluft. Du nimmst uns durch Deine Verkehrsverhalten unsere Freiheit! Denk mal drüber nach, Du Dinkelkorn!“ Dann flitzen wir in alle Richtungen davon.
Verdammte Axt. Nach Auffassung von Alexander „Pitbull“ Dobrindt, Revolutionsführer der CSU war diese politische Aktion vermutlich schon hart an der Grenze zur „Roten Armee Fraktion“. Echter Klima-Terrorismus! Wo soll das nur hinführen?

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Freitag 11.11., Teil 3

Noch eine Stunde bis zum gemeinsamen Abendessen der nominierten Projekte für den taz-Panter-Preis. Die Preisverleihung ist aber erst morgen. Der taz-Panter-Preis ist benannt nach „Peter Panter“, alias „Theobald Tiger“, alias Kurt Tucholsky. Ein Hauch von Aufbruch weht durch die Straßen. Pitbull Dobrindt hat Hundertschaften von BND, Bundesanwaltschaft, GSG9 und Nationalgarde geschickt. Die schnüffeln hier überall herum und lauern auf KlimaaktivistInnen. Ich habe mich als überdimensionales Öko-Landei verkleidet. Die Laufenten gehen als Laufenten und rollen mich im Ei die Straße entlang: „Eine Genmutation, das Ei! Verstehen Sie?“, sagen sie zu einem argwöhnisch schauendem Schlapphut. Der nickt kurz und lässt uns passieren.
In der Nähe des Restaurants merkt man schon einen angenehmen Veränderungsgeist. Alte Muster scheinen hier aufzubrechen, ökologisch nachhaltiger, zukunftsorientierter. Man spürt es förmlich. In einer kleinen Nebenstraße machen Enten und ich noch kurz Rast, bevor wir uns klandestin mit den anderen Aktivist:innen in einem Hinterzimmer treffen werden.

Plötzlich düst ein Wirbelwind heran. Auf 80er-Jahre-Rollschuhen, mit festgebundenen Silvesterraketen, die ordentlich qualmen und zischen. Mit 200 Kmh saust er vorbei und bremmst dann quietschend ab.
„Wisst Ihr was mein Lieblings-Sprichwort ist, Ihr Idioten?? Wissing ist Macht!“
Jetzt erkenne ich ihn. Es ist Volker Wissing, FDP, aktueller Verkehrsminister.
„Mann Volker!“, sage ich. „Es heißt „Wissen ist Macht! Nicht „Wissing ist Macht“! Außerdem möchte ich kritisieren, dass Dein Ministerium seine Klimaziele verschludert. Aktuell besteht dort ein Missverhältnis von 150 Mio Tonnen CO2! Wofür haben wir denn eine Demokratie, wenn sich demokratisch gewählte Parteien nicht an Vereinbarungen halten! Das ist absolute typische FDP-Kacke! Volksverarschung, was Ihr da betreibt“
Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/volker-wissings-sofortprogramm-ist-das-noch-schlechter-klimaschutz-oder-schon-arbeitsverweigerung-a-18ae22f8-09f7-4dc2-9dd0-2640d58cd0b1
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/verschleppter-klimaschutz-deutschlands-fuenf-grosse-baustellen-beim-klimaschutz-a-a308b36a-de6e-4e00-84d2-581cd6d5eba2

Volker Wissing juckt das nicht. „Entscheidend ist, dass Volkers Wille durchgesetzt wird. Und Volker, das bin nun mal ich! Und jetzt kuck mal (zeigt auf seine Rollschuhe und die Silvesterraketen): Welche Partei ist die innovationsfördernste Partei im Bundesdeutschen Pluralismus? Das sind wir!“, sagt es…..und düst zwei Mal die Straße rauf und runter, mit etwa 300 Sachen.
„Verstehst Du jetzt warum wir strikt gegen ein Tempolimit sind? Die paar Millionen Gigatonnen CO2, auf die kommt es nun auch nicht mehr drauf an. Die schlauesten der schlauen Köpfe haben sich ein neues Mobilitätskonzept ausgedacht (zeigt auf seine Rollschuhe). „Das Modell „Volker run“! Damit gehen wir, die FDP, bald in Serie und ganz neue Mobilitätswelten entstehen, verstehst Du das?
Und Ihr sorgt mal lieber dafür, dass diese Öko-RAF-Terroristen, die IRA-Weltverbesserer, diese IS-Störkommandos mit den Verkehrsbehinderungen aufhören. Wie soll ich „Volker run“ testen, wenn ich ständig Sorge habe, durch Spuren von Uhu und Pattex zu düsen?“ Er fängt an sich aufzuregen. „Was ist die größte Geißel der Menschheit?“, fragt er noch. „Ich sags Euch! Stau, Verkehrsbehinderungen, Nötigungen im Straßenverkehr“.

Ich ahne, worauf er anspielt. Auch ich bin kein Fan der Festklebaktionen zum Wohle des Klimas. Hohe Aufmerksamkeit aber vielfach negativ behaftet, viele negative Emotionen, wenig Nutzen und sogar beträchtliche Schäden für Leib und Leben. Das scheint so zu sein. Die ganze Republik ist außer sich vor Wut. Die BILD-Zeitungen möchte scheinbar extra dafür Straflager einrichten, Pitbull Dobrindt, so entsteht der Eindruck, wünscht sich Galgen und Marterkreuze zurück. Das Diskussionsgefüge ist völlig aus dem Ruder geraten.
Das gab es in der Bundesrepublik übrigens schonmal.
Zur Zeit der Gorleben-Proteste gegen Atomkraft. Hüttendörfer, Baumhäuser, Straßen wurden nicht mit Uhu blockiert sondern gleich komplett unterhöhlt, Strommasten umgesägt, genau wie verschiedene Gleise. Der damalige Dobrindt war Innenminister Kanther, der in Bezug auf die Proteste im Wendland von einem „unappetlichem Pack“ sprach (https://wendland-net.de/post/20-jahre-kulturelle-landpartie-41842). Eine Art Protest-Coach, ein erstklassiges Motivationstraining. Alle Demonstranten holten zusätzlich noch einmal 20% mehr aus sich heraus. Landwirte sorgten gemeinsam mit Umweltschützern dafür, dass mit ihren Treckern ganze Straßenzüge zerstört wurden, damit der Castor nicht durchkommt….und….und….und…es folgte eine ganz massive Radikalisierung der Proteste. Nicht viel anders scheint es jetzt zu sein.

„Volker“, sage ich. „Prima Erfindung, Dein „Volker run“-Dings! Ich bin da ganz bei Dir. Trotzdem: Menschen echauffieren sich wie verrückt über Protestformen von Klima-Aktivisten. Gleichzeitig schmelzen Gletscher ab, Dürreperioden weiten sich aus, Flüsse und Seen vertrocknen, Äcker werden unfruchtbar weil Böden erodieren. Flüchtlingsströme wachsen. Wo bleibt da der Aufschrei? Ein Achselzucken geschieht, mehr nicht! Bodenlose Wut über Klimaaktivisten aber Gleichgültigkeit bei jedem neuen Hitzerekord, jeder neuen Überschwemmungskatastrophe? Das ist gesellschaftlicher Bullshit! Es wird durch die Klimakrise zu gesellschaftlichen Verwerfungen kommen, zu Landknappheit, zu Bürgerkriegen!“
Volker: „Die Ordnung des Staates darf NICHT gestört werden“.
Ich: „Es ginge auch ganz anders! Bei der größten Krise der Menschheit, die Millionen von Toten hervorrufen wird, ist es sinnvoll, sich auch in gesellschaftlicher Empörung gegen diese Krise zu stemmen! Mit aller Macht! Passiert aber nicht! Die Klimaerwärmung wird Ordnungen zu Staub zerfallen lassen. Die Ordnung des Staates? Wo war diesen denn bei der Ahrtal-Kathastrophe? Keine Kommune, kein Land, kein Staat, kein Verbund wird sich gegen die Klimakrise wappnen können. Die Positionen der Wissenschaft sind unstrittig! Wir steuern zielsicher auf 2,5 bis 3 Grad zu!“
„Wissing ist Macht“, wiederholt er. „Keine Zugeständnisse für ideologisch getriebene Verkehrsterroristen! Klima-RAF abschaffen! Uhu und Pattex verbieten! Alles so weitemachen wie bisher!“, und düst mit einem markerschütternden Schrei „Ideologieeeeeeeeee“ mit 400 Kmh auf seinen Rollschuhen mit Raketenantrieb ins Stadtzentrum.
Die Laufenten und ich sind baff. Meine Watschelfreunde lassen es sich nicht nehmen nochmal doppelt motiviert über einige KFZ zu laufen. Lang lebe Michael Hartmann! Der hatte seine Sinne noch irgendwie beisammen.

Und zu den Festklebeaktionen und „Extinction Rebellion“/Letzte Generation: Der Soziologe Simon Teune bringt es auf den Punkt:

Teune: In der Geschichte von sozialen Bewegungen ist das nichts Neues: sich unbeliebt zu machen, wenn man grundlegende Veränderungen fordert. Bei der Antiatomkraftbewegung gab es riesige Auseinandersetzungen. Waren die Besetzungen von Bauplätzen angemessen? Viele Leute fanden nein. Erst mit der Zeit hat sich eine Mehrheit gegen die Atomkraft herausgebildet. Denn durch die Proteste wurde überhaupt erst sichtbar, dass wir es mit einer Risikotechnologie zu tun haben. Es kann sein, dass Menschen die »Letzte Generation« nervig finden. Aber das wird nicht dazu führen, dass sie sich weniger für die Klimapolitik interessieren. Ich finde die ganze Debatte über die »Letzte Generation« hat absurde Züge angenommen.

SPIEGEL: Warum?

Teune: Es wird so getan, als würden wir gerade einen Tabubruch erleben. Wir reden über eine gewaltfreie Gruppe, die sich auf Straßen festklebt. Es ist doch spannend, zu beobachten, dass ausgerechnet das solche Affekte auslöst. Das ist eine Stellvertreter-Diskussion. Wir kloppen auf die »Letzte Generation« ein, weil wir uns nicht damit auseinandersetzen wollen, dass wir keinen Pfad entwickelt haben, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. In ein paar Jahren werden wir ganz andere Diskussionen führen, weil die Konflikte, die absehbar aus der Klimakrise hervorgehen werden, auf einem anderen Niveau liegen werden. Und diese Diskussion – über Leute, die sich an die Straße kleben – wird lächerlich dagegen wirken.
Quelle:
https://www.spiegel.de/wissenschaft/radikalisierung-der-klimabewegung-die-debatte-ueber-die-letzte-generation-ist-eine-stellvertreter-diskussion-a-d3aaaaa0-81d2-4040-baf2-5a526754b6ba

Freitag, 11.11., Teil 4
Gemeinsames Essen mit den anderen nominierten Projekten. Die Mahnwache aus Lützerath ist dabei. Die Umweltgruppe Cottbus, die sich dem Kampf gegen Braunkohle verschrieben hat. Die Kooperative SuperCoop, ein genossenschaftlicher Supermarkt, die BioBoden-Genossenschaft sowie Peter Emorinken-Donatus, der Shell für sein umweltschädliches Vorgehen in Nigeria zur Rechenschaft ziehen will. Über ein Tunnelsystem sind wir, nach Nennung unterschiedlicher Parolen, in das Restaurant gelangt. Sehr konspirativ, heimlich, klandestin. Die gesellschaftliche Verfolgung von Klima-Aktivist:innen macht diesen Schritt notwendig. Auch die 10 Laufenten sind dabei.

Wir ernähren uns klimaideologisch korrekt pflanzenbasiert und trinken Revolutionsbier. Ab und an fallen in den Diskussionen Begriffe wie „Aufruhr“, „Ökologischer Massivwandel“, „Gesellschaftskritik“, „Verzichten“, „können nicht alle mitnehmen“ und „Leute werden auf der Strecke bleiben“. Wir wispern leise, flüstern fast. Wenn das hier der Staatsschutz und Pitbull Dobrindt hören. Wir kommen doch direkt nach Stammheim! Da will keiner von uns hin.
In Lützerath ist die Stimmung besonders ernst. Die Räumung steht kurz bevor. Was „Nicht-Klima-Aktivisten:innen“ bzw. „Hoffentlich-bleibt-alles-wie-es ist-Verfechter:innen“ noch weniger mögen als Klebeaktionen an Straßen oder Gemälden sind Protestbaumhäuser. Da kriegen die zu viel!! Sofort Schaum vorm Mund, binnen Sekunden, sofort die unnachgiebige Forderung, alles abzureißen und die Klimaschützer Jahrzehnte bei Wasser und Brot einzukasernieren. Ist eigentlich ganz witzig. Lohnt sich, sich das mal live anzuschauen. Warum das so ist? Keine Ahnung: Vielleicht durften die früher bei Baumhausaktionen nicht mitspielen oder wurden von Baumhäusern aus mit Tannenzapfen beworfen oder so. Ich weiß es nicht. Ist aber immer eine Mordsunterhaltung, besser als jedes Trash-TV 😊.

In der „Zeit“ war kürzlich ein interessanter Artikel über die bevorstehende Lützerath-Räumung:
https://www.zeit.de/campus/2022-11/luetzerath-raeumung-protest-kohle
„Wir bauen Barrikaden aus Stahl und Beton, Sofas und Stühlen“.
Offen gesagt (vor 30 Jahren hätte ich das nicht geschrieben): Ein bisschen Mitleid habe ich auch mit der Exekutive, die die missliche Situation und das Politikversagen „Ausbaden“ muss. Die Aktivistin “Torte“ (Künstlername) aus dem Baumhaus „Dinkeldoppelkeks“ gibt im Artikel einen kleinen Einblick in das, was bei der Räumung geschehen kann. Das wird für alle Seiten nicht schön.
Nicht uninteressant ist zudem der folgende Absatz:
ZEIT Campus: Die Grünenchefin Ricarda Lang hat angekündigt, ebenfalls nach Lützerath zu kommen. Wie wirst du ihr entgegentreten?
Torte: Bei mir wird sie eher auf Gleichgültigkeit stoßen. Ich bin nicht enttäuscht, ich hatte von Anfang an keine Hoffnung in die Grünen. Die Veränderung, die es braucht, um die Klimakrise zu mindern, nehmen wir selbst in die Hand.

Eine Denke, die immer mehr und intensiver bei Basisaktivisten:innen durchkommt. Gleichwohl:
Ich kenne auch etliche sehr sehr gute GRÜNE Politiker:innen, denke aber, dass es in den nächsten 10 Jahren eine zusätzliche Umweltpartei abseits der GRÜNEN geben wird, geben muss… Zum Glück: In jeder Partei gibt es pfiffige Köpfe, mit denen man gut zusammenarbeiten kann. Egal ob CDU oder GRÜNE. Bei der FDP bin ich mir nicht immer so ganz sicher. Gleichwohl: Ich kenne auch FDP-Sympathisanten:innen, die ich sehr schätze und die einen Wandel glaubhaft vorleben. Gibt es auch!
Wesentlich im Geiste vieler AktivistInnen ist, dass es ein Recht auf „zivilen Widerstand“ gibt. Es gehört zu den Grundrechten einer Demokratie. Die Geschichte der Bundesrepublik ist voll davon. Das ist eine große Stärke der Republik. Die Spielregeln sind klar definiert: Es kann juristisch belangt, kann teuer werden oder Freiheit kosten. Nachdem ich persönlich in jungen Jahren auch ordentlich „Remmi-Demmi veranstaltet habe, halte ich mich mittlerweile penibel an Gewaltfreiheit (gegen Dinge und gegen Personen sowieso).

Ich kann Menschen verstehen, die aktuell zivilen Ungehorsam betreiben, auch wenn wir mit unseren Projekten eine andere Aktionsform betreiben. Insbesondere kann ich sie verstehen, wenn sie noch 60-70 Jahre hier leben müssen, denn das wird kein Spaziergang. Es ist Ausdruck purer Panik und Verzweiflung. Die CO2-Emissionen steigen global seit Jahrzehnten! Nach wie vor, trotz mittlerweile 27 (!!) Klimakonferenzen. Deutschland wird seine Klimaziele krachend verfehlen. Ziele, die demokratisch legitimiert festgesetzt wurden. Sogar die Judikative, ein gewaltiger Teil der Demokratie, hat hier in Form des Bundesverfassungsgerichtes ein klares Urteil gefällt.

Ich selbst bin vehementer Verfechter der Demokratie, aber in diesem Falle ist sie zu langsam. Viel zu langsam! Dass das Vertrauen in demokratische Institutionen bröckelt, weil es seit Jahrzehnten keine nennenswerte Reduzierung von CO2-Emissionen gibt, die das 1,5 Grad-Ziel auch nur annähernd schaffbar machen, ist logisch. Das liegt nicht ausschließlich an der Politik, eigentlich viel mehr an der Gesellschaft. Jedoch ändert diese Erkenntnis nichts. Wenn sich viele viele Menschen nicht genügend an Klimaschutzaktionen beteiligen, dann schaden sie ganz massiv denjenigen, die gerne noch etwas länger auf dem Planeten leben wollen. Es ist unsozial, oder noch besser: Fürchterlich asozial!
Ein Exkurs aus dem Artikel: Was ist ziviler Ungehorsam?

„Ziviler Ungehorsam bedeutet im Wesentlichen, Regeln und Gesetze bewusst zu übertreten, um so ein wahrgenommenes Unrecht zu beseitigen. Ob und in welcher Form ziviler Ungehorsam legitim ist, wird in Theorie und Praxis heftig diskutiert. Auch die Philosophen Hannah Arendt und John Rawls setzten sich mit der Aktionsform auseinander, demnach muss ziviler Ungehorsam dem Gemeinwohl dienen und darf nur letztes Mittel sein. Berühmte Beispiele zivilen Ungehorsams sind die Proteste von Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Rosa Parks.
Der Begriff geht auf den US-amerikanischen Schriftsteller Henry David Thoreau zurück. 1846 weigerte er sich aus Protest gegen die Sklaverei und den Krieg der USA gegen Mexiko, seine Steuern zu bezahlen – und musste dafür einen Tag lang ins Gefängnis. In seinem Essay Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat reflektierte Thoreau seine Erfahrungen. Wegen des englischen Titels Civil Disobedience gilt der Essay als begriffsgeschichtlicher Beginn von zivilem Ungehorsam.


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Samstag, 12.1., Teil 1
Ich wache auf und bin aufgeregt. Die Laufenten ebenso. Heute findet die taz-Panter-Verleihung statt. Zum Warmwerden latschen meine gefiederten Freunde erstmal über etliche Autos und verrichten ihre Geschäfte.“Duck-Car-Walking-Shitting“ nenne ich das. Bei einem kleinen Spaziergang im Park (Volker Wissing düst mit 500 KmH auf seinen Raketen-Rollschuhen vorbei und kreischt hysterisch “Ideologieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee. Der helle Wahnsinn!!“) fällt mir ein Herr auf, der etwas, sagen wir, mürrisch und aufgewühlt wirkt.
Ich fasse es nicht! Es ist „Pitbull“ Dobrindt. Ich gehe näher und höre wie er in Richtung einer Kleingruppe von „Extinction Rebellion“/Letzte Generation schimpft.
Ich höre Begriffe wie „Notstandsgesetze“, „Radikalenerlass“, „Paragraph 129a“ und „Kontaktsperregesetz wie im Herbst 1977“. Vorsichtig greife ich in meine Jackentasche und hole eine Flasche Bastelkleber heraus. In einem forschen Moment rufe ich: „Herr Dobrindt, Bumm!!“ und werfe ihm die Tube vor die Füße. Dann rufe ich „Peng!“ und „Knall!“. Dobrindt läuft kalkweiss an und rettet sich mit einem beherzten Sprung hinter eine Parkbank. „Terrorismus! Wie früher bei der RAF. Die Klima-RAF!!! Hilfeeeeeeeeeeeeee!“

Ich beruhige ihn und erläutere, dass es nicht so gemeint war und er mir als Christ sicherlich vergeben könne. Ich würde ihm ja auch vergeben. Die Situation entspannt sich und wir trinken einen BIO-Malzkaffee zusammen. Ich kläre ihn auf, dass am 9.11. (also vor wenigen Tagen) die Evangelische Kirche beschlossen hat, dass sich ihre Mitarbeiter strikt an ein Tempolimit zu halten haben. Auf Autobahnen 100 und auf Landstraßen 80. Zwecks Bewahrung der Schöpfung und des Klimaschutzes.
Quelle:
https://www.spiegel.de/auto/im-auftrag-des-herrn-unterwegs-mit-hoechstens-100-stundenkilometern-a-fb9cd878-d31d-41eb-aa17-4998694db0cf

Ich frage ihn, ob man da in Bayern nicht noch was Radikaleres machen könnte? „Ihr seid doch so gläubig! Auf Autobahnen 70 und auf Landstraßen 50?“
Dobrindt wird nun aber doch wieder fuchsteufelswild: „Also diese Kirche!! Ok, mag sein, dass sie, im weitesten Sinne, irgendwas ja auch mit dem Christentum zu tun haben. Aber die wirklich echten Christen sind wir von der CSU – und wir sind sogar noch sozial dabei“ (stolz hebt er seinen Kopf). „Ich will Dir mal was sagen, Junge“, sagt er zu mir. „Wer den Verkehrsfluss behindert, der frisst auch kleine Kinder! Wir müssen da sofort hart durchgreifen! Klimaerwärmung, ok, auch wichtig, aber erst danach, viel später. Der Verkehr muss rauschen, die Ordnung darf nicht wackeln, alles andere ist dann erstmal nebensächlich, verstehst Du!

Und diese Evangelischen da bei Euch? Jesus war, genau wie wir Bayern, Katholik und strikt gegen Tempolimits! Alle Liebe geht von Gott aus, wer das nicht kapiert, gehört auf den elektrischen Stuhl!“
Wir fangen an uns zu streiten. Ich moniere, dass Jesus – nun ja – die herrschende Ordnung gewaltig in Frage gestellt hätte und ja ganz stark für gravierende soziale Veränderungen eingetreten sei.
Zum Glück kommt schnell ein Hubscharuber mit GSG9-Personal und holt Dobrindt aus dem Dschungel des Grauens heraus. Wie damals bei der Operation Entebbe. Wir sind alle irgendwie erleichtert, dass es noch einmal gut gegangen ist. Auch die Laufenten freuen sich und klatschen begeistert mit ihren Flügeln!

Samstag 12.1, Teil 2
Auf dem Weg zum taz-Gebäude. Volker Wissing hat sich nicht lumpen lassen. Seinen FDP-Innovationen sind keine Grenzen gesetzt. Mitten in Berlin, auf dem Kurfürstendamm hat er eine große Popup-Flugzeug-Landebahn errichtet. Das muss man ihm lassen: Ideen hat er ja.
Jetzt können Rad- und Autofahrer, Fussgänger und Jumbo-Jets gemeinsam die Straße nutzen. Ok, es ist ein bisschen laut und ganz schön viel Flugwind, aber irgendwie harmonieren die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer doch ganz prima finde ich. Und endlich sind mal Hierarchien durchbrochen. Ein bisschen Mitleid empfinde ich, als ein kleiner Hund beim Start eines Düsenjägers von den Turbinen eingesogen wird, aber hier wird zumindest mal etwas Neues gewagt. Und durch die Klimaerwärmung sterben hier und dort ja auch mal 150, mal 1500 Menschen. Mal in Pakistan, mal in Brasilien, mal im Ahrtal, mal in Australien. Ganz zu schweigen von den vielen vielen Wildtieren und Insekten, die Überschwemmungen und Brände nicht überleben. So schlimm kann das alles also nicht sein. Die Empörung über mittlerweile nahezu 100.000 Tote in Folge der Klimaerwärmung? Nicht vorhanden! Die Empörung über Protestaktionen der „Letzten Generation“? Ein gesellschaftlicher Tsunami.

Ich besuche die Einweihungsfeier der Popup-Landebahn. Es gibt begeisterte Interviews mit UrlauberInnen aus New York: „Ganz ganz toll, wieder hier zu sein. Der Flug hat pro Person (!!) 3,5 Tonnen CO2 verbraucht. Man müsste dafür eigentlich 350 hochgewachsene Bäume im Garten stehen haben. Habe ich nicht, natürlich habe ich die CO2-Ausgaben auch nicht kompensiert, machen andere ja auch nicht“, und kuckt strahlend in die Kameras.
Beifall brandet auf, die Leute klatschen, nicken sich gegenseitig zu. „Genau! Richtig so! Wir lassen uns doch unseren Urlaub nicht madig machen! Gut so! Sollen erstmal Andere…!“

Die Dame erzählt weiter: „Früher bin ich immer nach Griechenland und Italien geflogen. Das hat pro Flug, Hin- und Zurück, etwa 500 bis 1000 Kilogramm CO2 gekostet. Hab ich auch nicht kompensiert! Und JET-Ski und Banana-Boote mag ich!“, jubiliert sie. Die Menge johlt „Jut so!!“ „Aber seitdem dort immer die Wälder brennen will ich da nicht mehr hin. Der ganze Rauch, der Ruß am Strand und so. Wie soll man da denn entspannen? Und es ist ja auch gefährlich. Also da muss sich die Tourismusindustrie schon was einfallen lassen, um mich zurückzukriegen. Ich fliege jetzt immer nach New York!“

Klatschen, stehende Ovationen. Lediglich eine der Laufenten kotzt ihr direkt vor die Füße. Ich wende mich völlig frustriert und hochgradig genervt ab. Lediglich etwa ein Prozent aller Flugreisen wird kompensiert. Solche Gleichgültigkeit verstehe ich nicht. Wenn dieser finanzielle Aufwand für eine gesellschaftliche Verantwortung nicht bezahlt werden soll, dann fahrt an die Nordsee oder ins Sauerland! Da ist es auch schön. Warum in die Ferne schweifen….
In einer Stunde ist die Preisverleihung.

Samstag, Teil 3:

Ganz hat es nicht gereicht. Die Panter Preise gehen an Peter Donatus für seinen unermüdlichen Einsatz „Ökozide“ juristisch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten sowie an die Biobodengenossenschaft für die Förderung des ökologisch-nachhaltigen Anbaus. Herzlichen Glückwunsch
von hier 🙂
Für uns war es eine Ehre dabei zu sein. Viele tolle Gespäche, tolle Vernetzungen und eine irre Erfahrung. Es war der Hammer
hier!
Projekt 500 AKA