Neue Kolumne in Meller Quintessenz ist online
Geschrieben:

Die neue Quintessenz ist raus, danke an Anita Agarius und Bernd Thye 🙂 🙋‍♀️👍👍😊🦹‍♂️🦹‍♀️🙋‍♂️
https://verlag-am-bleistift.de/quint-2/index.html

Dort erscheint unsere regelmäßige Kolumne…
Hier ist sie nun:

Als kleine ehrenamtliche Naturschutzgruppe „gUG Umweltschutz und Lebenshilfe“ aus Melle verzeichnen wir gerade einen Boom. Die Anzahl der Anfragen nach Klimaschutzanpflanzungen, der Anlage von Blühwiesen, der Schaffung von Biotopen mit Schulen, Kindergärten, Firmen, Privatpersonen, Landwirten oder Kirchengemeinden ist so hoch wie noch nie – trotz Corona. Das Besondere: Nicht nur uns geht es so. Viele weitere Naturschutzgruppen berichten Ähnliches. Das Bewusstsein hat sich gewandelt. Es ist angekommen, dass wir alle etwas tun müssen, wollen wir auch in den nächsten 30 Jahren noch Schmetterlinge sehen oder ein lebenswertes Klima genießen dürfen.

Aber ist es wirklich nur die Angst vor dem ökologischen Zusammenbruch, die (durch wissenschaftliche Fakten mittlerweile hinreichend begründet) zum Handeln motiviert?

An dieser Stelle soll einmal der Spaß, die Lust, die Begeisterung an Naturschutzaktivitäten anhand eines exemplarischen Tages (und der später sichtbaren Resultate) beschrieben werden (geschildert an einem „Vor-Corona“-Beispiel):

Samstag morgen, 7.00 Uhr. Los geht es. Eine Blühwiese mit einer Nachbarschaftstruppe anlegen und zahlreiche Bäume pflanzen. Die Luft ist herrlich frisch. Die Sonne ist gerade aufgegangen und auf Feld und Flur singen unterschiedliche Vögel ihre Morgenlieder. Gemeinsam mit 20 Personen wird heute in Riemsloh eine Wildblumenwiese angelegt. Das Projekt wird ergänzt durch eine kleine Streuobstwiese und ein kleines Klimaschutzareal (Ein Mix aus heimischen Buchen, Eichen, Erlen, Ulmen, Weiden und Ahorn. Ergänzt durch die südeuropäische Manna-Esche, Zerreichen, Mittelmeer-Zypressen, Platanen und eine Kiefernart aus Südfrankreich. Wenn die Temperaturen steigen und der Niederschlag ausbleibt, dann brauchen wir Baumarten, die das aushalten und dennoch CO2 speichern).

Es ist großartig. Der Kopf ist klar, die Bronchien füllen sich mit frischer und gesunder Luft und heute wird etwas Nachhaltiges geschaffen. Gemeinsam mit einer bunt gemischten Truppe aus „jung und alt“ wird ein 500 m² großes Stück Land gefräst und artenreiches, regionales Saatgut ausgesät. Die Kinder staunen über eine große Papptüte mit vielen 1000 Körnchen, aus denen bis zu 80 Wildblumenarten entstehen werden. Alle sind voll bei der Sache. Der erste Schweiß fließt. Löcher buddeln für neue Obstbäume kann ganz schön anstrengend sein. Bewegung – In Bewegung bleiben. Weg vom Fernseher, keine Handys. Ein Genuss! Der Wind weht, die Sonne scheint. Der Duft frischer umgegrabener Erde steigt in die Nase. Die Älteren erzählen begeistert davon, wie viele Korn- und Mohnblumen früher am Feldrand wuchsen. Die Kinder fragen neugierig, wann sie denn die ersten Äpfel und Kirschen pflücken können.

Nach 3 Stunden Arbeit, vielen Flaschen Mineralwasser und frisch gepresstem Apfelsaft ist das Werk vollendet. Alle sind stolz und freuen sich. Wir alle haben das Gefühl, etwas getan und geleistet zu haben, ein kleines Stück Erde mit eigener Hände Schaffenskraft und eigener Energie verbessert zu haben. Wir haben SELBER etwas getan, ohne darauf zu warten, dass ANDERE etwas tun, dass ANDERE etwas verbessern. Auch diese Erfahrung, dieses Bewusstsein, SELBST aktiv werden zu können und etwas zu ändern können, ist eine ganz wichtige Erfahrung.

12 Wochen später. Die Nachbarstruppe hat uns zu einem kleinen Fest eingeladen. Es ist herrlich. Es summt und brummt dort auf der Wiese. Florfliegen, unterschiedliche Wildbienenarten, Hummeln, Honigbienen. Viele Tagfalter, die so manch einer von uns nur noch aus der (früheren) Kindheit kennt, flattern dort herum: Aurorafalter, ein großes Ochsenauge, Bläulinge unterschiedlicher Art, sogar ein Kaisermantel ist dabei. Es blüht in allen Farben: Ich sehe roten Lein, purpurne Kornrade, gelben Ackersenf, duftenden Koriander, Wiesen-Kümmel, orangene Ringelblumen, echte Kamille. Es riecht so aromatisch wie in einem Gewürzladen. Das schönste aber sind die Augen der Menschen, die vor 3 Monaten mitgeholfen haben. Egal ob 8 oder 80: Sie strahlen. Die Gesichter sprühen vor Freude und Stolz, hier etwas Merkliches und Sichtbares geschaffen zu haben. Die gepflanzten Bäume haben ihre ersten Blätter bekommen, neue Triebe sprießen. Es gibt Birnenkuchen, Johannisbeersaft und für die Erwachsenen eine Flasche Bier. Ein älterer Herr mit einem Trecker fährt vor, ein ehemaliger Landwirt: „Großartig! Und im Herbst legen wir ein kleines Feuchtbiotop an und schaffen Totholzstapel. So etwas Herrliches!! Ker‘ is datt hier schön! Wie früher!“.

Naturschutz macht Lust auf mehr, wenn Natur- und Umweltschutzprojekte greifen, dann entsteht eine Begeisterung, die nicht zu stoppen ist. Mehr davon! Es ist ganz leicht, fördert Gesundheit, Gemeinschaft, Freude und Artenvielfalt. Nur glückliche Gesichter auf allen Seiten.

Und: Am 20. Mai 2020 ist es soweit. Nach dann etwa 4,5 Jahren Arbeit und etwa 7000 Stunden im Ehrenamt (gemeinsam mit Landwirten, Firmen, Schulklassen, Kirchengemeinden, Kindergärten, Kommunen, Stiftungen und vielen Privatpersonen) wird der Bundesweit erste Blühwiesenkorridor für Insekten mit (relativ) geringen Flugradien fertiggestellt (in Melle/Oldendorf). Auf dann etwa 185 Blüharealen (370.000 m²) und auf 35 Kilometer Länge (zwischen Melle und Hagen a.T.W) können Insekten sich dann regional fortbewegen und sich gemeindeübergreifend genetisch austauschen. Für eine Arterhaltung ist der Erhalt eines räumlich umfassenden Genpools elementar. Das Besondere: Die Flächen sind basierend auf regionalem und mehrjährigen Saatgut angelegt. Die Areale werden ein- bis zweimal im Jahr gemäht, die Böden aber für etliche Jahre nicht „umgebrochen“, sodass sich hier insbesondere Wildbienenpopulationen (75% aller Wildbienenarten nisten im Boden) stabilisieren können.

Blumiger Landkreis Osnabrück
Artenvielfalt steigern, Insektensterben stoppen
González-Romero-Blühwiesenkorridor Blumiger Landkreis Osnabrück
http://blumiger-lkos.de

https://www.betterplace.org/de/projects/61252-blumiger-landkreis-osnabrueck