Genervt, frustriert und verärgert. Über mich selber, den Papst, die GRÜNEN, die politische Lage in Mazedonien, das Artensterben, meine Frisur
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Ich bin verstimmt und betrete den Stall meiner alten Schweine-Freundin „Speedy“.
Genervt, frustriert und verärgert. Über mich selber, den Papst, die GRÜNEN, die politische Lage in Mazedonien, das Artensterben, meine Frisur, den Alterungsprozess und die Preise meiner Lieblingsmarmelade. Eigentlich bin ich genervt von allem.

Speedy, die alte Kommunistensau, die olle Lenin-Einzelzelle, lacht sich halb tot. „Na, Alder! Läuft nicht mehr so gut mir Dir und Deiner GRÜNEN Heimat, watt? Ihr findet irgendwie nicht mehr so richtig zusammen, watt? Vor Jahren wärst Du für die durchs Feuer gegangen, hast sogar mal Wahlplakate angebracht, watt is passiert?“…kuckt mich neugierig an und schubbert seinen Hintern an der Stalltür.

Hahn Fred, der GRÜNEN-Realpolitiker und SUPERHuhn Harriett, die GRÜNE Fundamentalistin sitzen auf der Stange und horchen gespannt auf. Das könnte zumindest unterhaltsam werden.
Ich setze mich auf den Strohballen und gebe Speedy seine Ware, nen Apfel und ne Banane. Ich seufze.

„Alles Scheiße! Das verdammte 500-AKA-Projekt (500 Aktiv für Klima- und Artenschutz im Landkreis Osnabrück) hat hier für echte Traumata gesorgt. Kann ich nicht anders sagen. Es sagt viel über die Bereitschaft von Menschen aus, sich gegen die Klimaerwärmung und gegen das Artensterben einzusetzen. Es sagt viel darüber aus, welche Opfer Menschen (nicht) bereit sind zu erbringen – und wie schnell doch die Verantwortung gerne auf andere abgewälzt wird. Und es sagt viel darüber aus, dass Menschen letztlich – am Ende des Tages – doch nur an sich selber denken. Und auch im „Blumiger Landkreis Osnabrück“-Projekt gibt es eben genau diese Tendenzen, immer schon.

In den letzten Monaten nahezu den gesamten Landkreis Osnabrück abgeklappert. Von Pontius zu Pilatus, um Flächen für das Projekt nutzen zu können. Bedingung der Stiftungen: Müssen für 20 Jahre zur Verfügung gestellt werden. Vermutlich habe ich mittlerweile mehr CO2-Emissionen produziert als durch das Projekt eingespart werden. Es war der absolute Wahnsinn, wie das oftmals abgelaufen ist. Einige Beispiele:

„Grundsätzlich können wir uns vorstellen, die Fläche zur Verfügung zu stellen. Allerdings legen wir Wert darauf, dass Sie die Pflege des Biotopes gewährleisten können. Falls Sie krankheitsbedingt verhindert sind, dann würden wir gerne ein Unternehmen für die Pflege der Fläche beauftragen und Ihnen die Kosten in Rechnung stellen.“
Oder: „Also das ist so toll, dass Sie sich ehrenamtlich für die Natur einsetzen. Das unterstützen wir gerne. Wir möchten aber eine Pacht von 1500 Euro im Jahr dafür haben. Welche Materialleistungen können Sie uns anbieten?“
Oder: „Endlich jemand, der das Artensterben ernst nimmt. Natürlich können Sie die Fläche für 20 Jahre nutzen. Wir würden dann gerne einen Landschaftsgärtner beauftragen, der die Biotopgestaltung plant und auch umsetzt. Ich träume immer schon von einem Teich mit Karpfen. Das müsste natürlich über das Projekt finanziert werden. So haben wir alle etwas davon. Die Natur und wir, große Klasse! Danke für Ihr Engagement“

Kein Witz, alle diese Gespräche hat es in dieser (oder ähnlicher) Form gegeben.

Speedy sagt: „Hätt Ich Dir gleich sagen können. Ihr Menschen seid so. Ohne Eigennutz rührt Ihr keinen Finger!“ Hahn Fred schimpft: „Unfassbar!“

Ich antworte: „Nein, ganz so ist es dann auch nicht. Einige liebe Menschen haben sich gefunden, die Flächen für 20 Jahre bereitstellen, die bereit sind, dort mitzuhelfen, die keine Pacht haben wollen oder absurde Forderungen stellen. Es gibt diese Menschen!“.

Hahn Fred: „Und was hat nun meine Partei der GRÜNEN damit zu tun?“

Ich: „Das will ich Dir sagen, mein Freund. Nachdem die Gespräche über mögliche Flächen schrecklich verlaufen, denke ich: „Ich frage einfach die Genossen meiner Lieblingspartei. Wenn die nicht mitmachen, wer denn dann? Ich wurde geprägt von den GRÜNEN. Meine gesamte Vita wurde durch die GRÜNEN beeinflusst. Dass das scheitert ist undenkbar!“.
Die Gespräche mit den entsprechenden Personen verliefen noch frustrierender als frustrierend. Nun, es war landkreisweit keine zweistellige Zahl an Personen, aber es waren doch deutlich mehr, als dass man sie an einer Hand abzählen könnte. Und sie waren allesamt, ausschließlich (!), hochgradig ernüchternd:

Von: „Darf man denn das? Nein, wir können da nicht einfach Bäume pflanzen. Ok, wir brauchen Bäume, aber das darf man so einfach nicht. Allein der Wertverlust meiner Fläche…also nein, das geht so nicht“ (um dann kurze Zeit später etwas auf Facebook über die Bedeutung von Bäumen für das Mikroklima zu posten).

Über: „Ohhh…so ein tolles Biotop. Also ganz wunderbar. Aber ich kann die Fläche doch danach nicht mehr verkaufen, die ist ja dann wertlos. Könnte mir denn ein adäquater finanzieller Ausgleich gezahlt werden? So 40.000 bis 50.000 Euro. Verstehst Du? Also eigentlich ja gerne, ich bin ja schon lange bei den GRÜNEN, aber naja, ich muss da schon auch etwas für haben.“

Bis zu: „Ich? Nee! Der Preis für die Fläche soll steigen. Das ist ein Investitionsobjekt. Frag mal bei x,y,z. Also ich? Nee!“

Nach einem der Gespräche habe ich auf der Rückfahrt im Auto geweint.
Nun gut, denke ich: Wir haben doch eine GRÜNE Landrätin. Da frage ich mal vorsichtig. Vielleicht hat ja der LANDKREIS ein Interesse an einem solchen Projekt. Eine Antwort, offiziell, habe ich bis heute nicht erhalten. Bin ja aber nicht doof und besorge mir die Antwort irgendwie über Umwege selber. Ich versuche Kontakt zu möglichen involvierten Personen zu bekommen. Diese bestätigen mir, dass die Landrätin diese Anfrage tatsächlich zur Prüfung weitergeleitet hat. Das wiederum finde ich gut und ich freue mich sehr darüber! Trotzdem leider: Keine Möglichkeit. Ok, wirkte auf mich zwar irgendwie halbherzig, aber ich habe nicht alle Fakten (wie denn auch?). Wenn es denn nicht geht, dann geht es nicht.

Hahn Fred: „Du hast ein völlig absurdes Politikverständnis! PolitikerInnen haben die Aufgabe, Politik zu machen, nicht ihre privaten Flächen für Naturschutzprojekte anzubieten.“
Ich: „Ja, stimmt. Aber wenn nicht zumindest diese Personen mit gutem Beispiel voran gehen, wer denn dann? Wie kann man einerseits dazu aufrufen, Biotope zu schaffen, Bäume zu pflanzen und und und. Und auf dem eigenen Grund und Boden? „Neeeeee, also meine Fläche ist ein Spekulationsobjekt. Auf anderen Flächen gerne.“ Das ist verlogener Scheiß!“

Fred: „Ach ja, was würdest Du denn machen? Du würdest es genauso machen!!“

Ich: „Schwachsinn ! Soll ich Dir erzählen, was wir hier privat schon in Projekte investiert haben, du Finanz-Realo-Pseudo-Öko? Geld schießt keine Tore! Das letzte Hemd hat keine Taschen!“

Fred: „Und weswegen bist Du enttäuscht von den GRÜNEN? Aufgrund von persönlichen Erfahrungen? Das ist armselig….“

Ich: „Seit vier Jahren betreiben wir das Projekt „Blumiger Landkreis Osnabrück“. Soll ich Dir sagen, von wem die MIT ABSTAND meisten Anfragen nach ehrenamtlichen oder winzig-budgetierten Flächenpflegemaßnahmen kommen? Es sind verschiedene GRÜNEN-PolitikerInnen! Die denken sich: Wir haben da eine Fläche, und wir finden Naturschutz ja auch voll super. Aber also bitte: Für die Pflege werden WIR doch nun wirklich nicht aktiv. Das sollen die Naturschützer machen.“

Fred: „Ist das so?“

Ich: „Scheinbar haben wir in den Augen so mancher PolitikerInnen die einzige Fräse und den einzigen Balkenmäher in gesamt Niedersachsen. Die Idee, selber sich so ein Ding zu leihen und selber aktiv zu werden, ist für viele offensichtlich viel zu weit weg. Das bedeutet nämlich Kosten, Mühen und Aufwand.“

Fred: „Du gehst da monothematisch ran. PolitikerInnen leisten viel für die Allgemeinheit. Ehrenamtlich. Kaum jemand will das machen. Das könntest Du etwas mehr wertschätzen.“

Ich: „Mache ich doch. Aber was hat das mit dem gespaltenen Verhältnis zu meiner Ex-Partei zu tun? Ich weiß z.B. dass es Personen der GRÜNEN und der UWG waren, die hier immer wieder auch für finanzielle Unterstützung sorgen. Personen der GRÜNEN haben für ein megastarkes Förderprogramm für den Artenschutz in der Stadt Melle gesorgt (Naturnahes Melle). Ich kenne etliche Personen bei den GRÜNEN, die hammermässig gute Arbeit machen. Ohne Zweifel.

Aber soll ich Dir sagen, welche Partei MIT WEITEM ABSTAND den größten Input, das größte Engagement mit Blick auf die Realisierung des 500-AKA-Projektes geleistet hat?
Speedy: „Na der wenn? Die FDP?“

Ich: „Der Klassenfeind! Die CDU!“

Fred, SUPERHuhn Harriet und Speed kucken mich mit großen Augen an.

Speedy stottert: „D..D..D..Du redest..m..m..mit dem Klassenfeind? Die wollen mich fressen, die wollen mich in winzige Buchten sperren und dann auffressen!“

Ich: „Ich sach Dir was, meine liebe Frau Lenin. Ich bin da an die Fakten gehalten und bin als großer Wahlkämpfer für die CDU übrigens ziemlich unverdächtig. Wenn das Projekt etwas wird, dann definitiv ganz wesentlich aufgrund des Engagement einiger CDU-Herren. Die waren top vorbereitet. Und es waren keine Lippenbekenntnisse sondern merkliche Arbeit, die diese geleistet haben. PRO Klima- und Artenschutz. Auf der Rückfahrt von dem Gespräch habe ich nicht ein einziges Wort gesagt. Den ganzen Abend nicht. Meine Frau fragte: Was ist los?“
Ich antwortete: „Will nicht drüber reden. Mein Selbstbild, mein Bild von Politik, ich habe da heute eine Lektion gelernt““

SUPERHuhn Harriet meldet sich hektisch: „Hab ich Dir gesagt, Fred. Du mit Deiner Scheiß „Wir-Realos-müssen-an-die-Macht-nur-dann-haben-wir-eine-Chance-auf Veränderung-Mentalität“. Wir verlieren unsere Ideale!“

Fred: „Blödsinn! Wahlen werden in der Mitte gewonnen!“

Großes Gejohle: Schwein Speed wirft freiwillig für alle 5 Euro ins Phrasenschwein.

Plötzlich kommt Maik Krüger in den Stall, stimmt seine Gitarre und singt: „Sie müssen nur die Mitte durch die Laschet ziehen! Und dann die Ideale weit von hinten sehen!“…und verlässt den Stall durch
die Hühnertür.

Ich: „Die Mitte, Die Mitte, Die Mitte! Was soll das sein? Wir brauchen einen radikalen Wandel! Wir brauchen ein radikal anderes Verhältnis zur Natur!“

Fred: „Bitte nicht so laut das Wort „Radikal“ verwenden. Ich möchte nicht, dass das mit meinen GRÜNEN in Verbindung gebracht wird. Was soll denn dann die Mitte denken?“

SUPERHuhn Harriet: „ICH als Fundi bin auch die GRÜNEN. Und auch ich kann mich immer weniger damit identifizieren. Ich finde diese FFF-Klimalisten klasse! Immer diese Angst vor dem Anecken. Diese „Wischi-Waschi-Forderungen“. Wo ist der Kampfgeist geblieben, der die GRÜNEN früher ausgezeichnet hat. ?“

Speedy, Harriet und ich skandieren einen alten Spruch aus den 68ern: „Alle, die jetzt aufgestanden sind, sollen sich widersetzen!“

Hahn Fred: „Ihr seid Traumtänzer! Weltfremd, Ignoranten!. Um etwas zu ändern müssen wir durch die Mitte gehen! Wir müssen die Mitte sein! Wir brauchen alle Stimmen, Zersplitterungen des Parteienspektrums schaden uns!“

Maik Krüger drückt sich wieder durch die Hühnertür. Wir singen im Chor: „Sie müssen nur die Mitte durch die Laschet ziehen! Und dann die Ideale weit von hinten sehen!“
Maik Krüger geht wieder.

Speedy: „Schaden UNS? schaden EUREN halbgaren Forderungen. Schaden EUREM Machtanspruch. Mit UNS hat das nichts zu tun.“

Fred: „Was also wirst Du tun, Behncke, Du neunmalkluges Arschloch, das immer alles besser weiß? Dann machs doch SELBER!“

Ich: „Die Vermeidung einer Auseinandersetzung über das 1,5 Grad-Klimaziel auf dem Parteitag der GRÜNEN im November hat mich tief enttäuscht. Ich kann absolut verstehen, dass es etliche Menschen gibt, die sich nun abwenden. Dieses „Macht um fast jeden Preis“ finde ich schrecklich.
Frau Baerbock äussert sich in der TAZ: https://taz.de/Annalena-Baerbock-ueber-Kanzlerinnenamt/!5734264/
Auf folgende Frage:

„Aus Enttäuschung über die Grünen wollen einige Aktivist*innen jetzt auf eigenen Klimalisten antreten. Fürchten Sie, dass sie Ihnen die am Ende entscheidenden Prozente klauen werden?“

…sagt sie:
„Nein. Im Gegenteil: Eine aktive Zivilgesellschaft ist wichtig für eine Demokratie, und Reibung erzeugt auch immer wieder neue Kraft. Ich glaube, dass uns der Diskurs mit der Klimabewegung weiterbringt.“

SUPERHuhn Harriet: „Dabei hat sie sich bestimmt zehnmal auf die Zunge gebissen, was?“

Hahn Fred: „Die einzige Partei, die für eine ökologische Bewegung steht, das sind wir! Das sind die GRÜNEN! Das ist so seit den 80ern!“

Speedy grunzt: „Alle, die jetzt aufgestanden sind, sollen sich widersetzen! Ihr habt den Bezug zur radikalen Basis verloren. Ihr seid nur noch ein gutsituierter machtgeiler Haufen, der auf radikale Herausforderungen keine angemessenen Antworten mehr hat“

Fred: „Also was Willst Du tun? Glaubst Du UWG, ÖDP sind sinnvolle Alternativen. Glaubst Du eine Klimaliste im Landkreis Osnabrück löst das Problem? Wirst Du die GRÜNEN nun wählen oder nicht?“

Ich: Sag ich Dir doch nicht, Du Realo! Den GRÜNEN haben wir als Gesellschaft sehr viel zu verdanken. Ich kenne viele GRÜNE, die ehrlich und authentisch für eine GRÜNE Politik stehen. Aber ich habe auch extrem viele Schnarchsäcke und Quacksalber kennengelernt! Nach dem Motto: „GRÜNE Politik super! Aber ICH werde dafür doch keine Opfer bringen, blablablabla….“

Fred (ereifert sich): „Dann mach es doch selber! Mach doch was bei den GRÜNEN?“

Ich: „Nein, der Zug ist abgefahren. Aber SELBER machen, im Rahmen der Klimaliste: Vielleicht ist das einen Versucht wert. Die Klimalisten freuen sich immer über neue Ortsgruppen. Auch eine Stimme an ÖDP oder UWG kann interessant werden. Vielleicht wähle ich aber auch weiter das, was ich immer gewählt habe, vielleicht auch nicht. Watt weiß denn ich schon?
Die Herausforderungen des Artensterbens und der Klimaerwärmung sind GIGANTISCH. Das werden wir (meiner Meinung nach) nicht mit einer „Politik der Mitte“ lösen. Da will ich nicht mehr mitmachen!!