Artenvielfalt gegen Pandemien
Geschrieben:

Vorsicht: Langer Text
Warum Pandemien wie Corona durch einen stärkeren Natur- und Klimaschutz in Zukunft eingedämmt werden können
Oder: Regularien gegen Corona überall (die Symptombehandlung). Regularien gegen die Ursachen wären besser.
Und: Warum wir viel mehr Wert auf Meinungen der Wissenschaft legen müssen!

In den vergangenen Wochen war es hier und dort immer mal wieder zu lesen: Das Artensterben, die Naturzerstörung und der Klimawandel begünstigen den Ausbruch von Pandemien (weltweite Massenerkrankungen) und Epidemien (räumlich begrenzt). Auf Spiegel-online ist zu lesen (https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/pandemien-und-ihre-ursachen-so-zuechtet-der-mensch-ungewollt-neue-seuchen-a-00000000-0002-0001-0000-000170323296)
dass das Erbgut des Corona-Virus zu 96% mit Erregern übereinstimmt, die in „Java-Hufeisennasen“ zu finden sind (einer Fledermausart aus Südostasien).

Die Wissenschaft warnte schon lange – genau wie vor dem Klimawandel oder der Artenzerstörung

In der Wissenschaft wurde in den letzten Jahren häufig vor solchen Pandemien gewarnt. Genau wie in den letzten (ca.) 50 Jahren häufig vor der Klimakatastrophe oder dem Artensterben gewarnt wurde. Die (mit Bezug auf die Bibel) „einsamen Rufer in der Wüste“. Die Mahnungen verhallten ohne Effekt – von uns vielen oftmals ungehört.
Dass Krankheitserreger von Tieren auf Menschen springen (die sog. „Zoonosen“) ist nicht besonders neu. Neu ist (in der jüngeren Vergangenheit) jedoch das Ausmaß der Ver- und Gebote, welche im Kampf gegen diese Zoonose namens „Corona“ eingesetzt werden. Doch das ist nur die Bekämpfung eines Symptoms. Die Ursachen sind hausgemacht.
In einer kürzlich veröffentlichten Pressemeldung des BMU (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit) wird treffend formuliert: „dass die Übertragung von Krankheiten auf den Menschen wahrscheinlicher wird, wenn Ökosysteme durch menschliche Eingriffe aus dem Gleichgewicht geraten“ (Quelle: https://www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-weltweiter-naturschutz-kann-risiko-kuenftiger-seuchen-verringern/). Umweltministerin Svenja Schulze äußert dort völlig richtig: „Die Wissenschaft sagt uns, dass die Zerstörung von Ökosystemen Krankheitsausbrüche bis hin zu Pandemien wahrscheinlicher macht. Das zeigt: Die Naturzerstörung ist die Krise hinter der Coronakrise. Umgekehrt gilt: Gute Naturschutzpolitik, die vielfältige Ökosysteme schützt, ist eine wichtige Gesundheitsvorsorge gegen die Entstehung neuer Krankheiten. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Weltbiodiversitätsrat den globalen Wissensstand zu diesen Fragen sammelt, aufarbeitet und der Politik weltweit zur Verfügung stellt. Denn die Weltgemeinschaft hat nach der Pandemie die Chance, eine neue globale Biodiversitätsstrategie zu beschließen – und so zu zeigen, dass sie aus den Pandemien der Vergangenheit gelernt hat.“
Auf Spiegel-online listet der Journalist Philip Bethge die schlimmen Seuchen der „jüngeren Vergangenheit“ auf:
„Die Liste der Ausbrüche neuartiger, oft exotischer, den Menschen gefährdender Viren liest sich wie ein Kaleidoskop des Grauens: Machupo-Virus, Bolivien, 1962 bis 1964; Marburg-Virus, Deutschland, 1967; Ebola-Virus, Zaire und Sudan, 1976; HIV/Aids-Virus, USA, ab 1981; Sin-Nombre/Hanta-Virus, USA, 1993; Vogelgrippe H5N1, Hongkong, 1997; Mers, Saudi-Arabien, 2012. Jetzt Sars-CoV-2, China, 2019. Und das ist nur eine Auswahl.“

Ursache: Lebensraumverlust und Artensterben

Ein Grund für die massive Verbreitung von Krankheitserregern ist der Lebensraumverlust vieler Tierarten. Dadurch, dass Lebensräume für viele Tiere kleiner/geringer werden (aufgrund von z.B. Versiegelung, Holzeinschlag, intensiver Landwirtschaft etc.) erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines menschlichen Kontaktes: Mit den entsprechenden Auswirkungen.
In der „Le monde Diplomatique“ vom 12. März 2020 ist zu lesen: „Durch die Zerstörung der Lebensräume droht zahlreichen Arten die Ausrottung, darunter auch Heilpflanzen und Tieren, die in unseren Arzneibüchern seit jeher ihren Platz haben. Den überlebenden Arten bleibt nichts anderes übrig, als sich in die reduzierten Lebensräume zurückzuziehen, die ihnen die menschlichen Siedlungen übrig lassen. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie in engen Kontakt mit Menschen kommen, und so können Mikroben, von denen sie besiedelt sind, in unsere Körper gelangen, wo sie sich möglicherweise in tödliche Krankheitserreger verwandeln.“

(Sonia Shah, Originalartikel in: https://www.thenation.com/article/environment/coronavirus-habitat-loss/).
Gleichfalls gehört dazu, dass das zunehmende Verschwinden der Artenvielfalt die Verbreitung von Massenerkrankungen fördert.

Die Charité-Virologin Sandra Junglen äußerte bereits 2019: „Dazu gehören auch der Wandel zur starken Landnutzung, die Verbreitung von Monokulturen oder Rodungen von Wäldern. Das führt zu einem Verlust der Artenvielfalt und verändert die Zusammensetzung der Säugetierpopulationen. Weniger Artenvielfalt bedeutet mehr Tiere einer Art. Wenn mehr Tiere einer Art im selben Lebensraum vorkommen, können sich Infektionskrankheiten zwischen den Tieren einer Art besser verbreiten. Man kann also vereinfacht sagen: Artenvielfalt könnte auch vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten schützen“ (Quelle: https://www.mta-dialog.de/artikel/schuetzt-artenvielfalt-vor-epidemien.html).
Aus der Biodiversitätsforschung ist bekannt: Sobald die Artenvielfalt schwindet übernehmen „generalistische“ Arten das Zepter. In der Regel Arten, welche auch unter „neuen“ Bedingungen überleben können. Das muss nicht zwingend schlimm sein, ist jedoch dann katastrophal, wenn es sich um Arten handelt, die „per Fingerschnipp“ mal eben so Tausende von Lebewesen auslöschen. Wenn dann gleichzeitig noch Lebensräume knapper werden dann wird es „eng“, im doppelten Sinne.
Interessant in diesem Kontext auch Aussagen von Josef Settele, Vizevorsitzender des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) sowie von Joachim Spangenberg (Biologe, Ökologe und Wirtschaftswissenschaftler). Nachfolgend ein Interview-Teilauszug aus dem „Spektrum“ (https://www.spektrum.de/news/warum-umweltschutz-auch-seuchenschutz-ist/1715336):
Settele: „Studien haben gezeigt, dass schrumpfende Lebensräume und damit einhergehende Verhaltensveränderungen von Tieren zum Risiko der Übertragung von Krankheiten von Tieren auf Menschen beitragen. Die große Mehrheit an Krankheitserregern harrt noch der Entdeckung, wir kratzen da erst an der Oberfläche. Viele Fachleute – und selbst nicht ganz so eng am Thema tätige Zeitgenossen wie wir – sind aber vom Ausbruch des Coronavirus nicht wirklich überrascht.“

„Warum?“

Settele: „Die Menschheit schafft geradezu die Bedingungen dafür, dass sich Krankheiten ausbreiten. Wir reduzieren die Barrieren zwischen dem Menschen und den Wirtstieren, in denen solche Viren natürlicherweise zirkulieren. Wir mussten von der Ausbreitung einer pandemischen Influenza ausgehen, genauso wie von vielen Todesfällen. Und wir können damit rechnen, dass es weitere Erreger mit zum Teil noch gravierenderen Auswirkungen geben wird. Große Änderungen in der Landnutzung führen zum Verlust von Lebensräumen, was zu höheren Populationsdichten einiger Arten und auch zu mehr Kontakten zu Menschen führt. Die Arten, die überleben, ändern ihr Verhalten und teilen sich in zunehmendem Maß Lebensräume mit anderen Tieren und eben mit dem Menschen.“
(…)

„Es sieht gegenwärtig aber nicht so aus, als würde Biodiversitätsschutz ausreichend ernst genommen; das Thema findet politisch kaum Beachtung. Nicht zuletzt Ihr IPBES-Bericht zeigt, dass die allermeisten Regierungen weit davon entfernt sind, entschlossen gegen Naturzerstörung vorzugehen. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass wir mit einer Häufung von Pandemien rechnen müssen?“

Spangenberg: „Dieser Umkehrschluss ist richtig – die Wahrscheinlichkeit von Pandemien steigt mit zunehmender Vernichtung von Ökosystemen und Biodiversität.“

Settele: „Es stimmt mich aber auch hoffnungsvoll, dass unser IPBES-Bericht bei vielen Bevölkerungsschichten und nicht zuletzt bei politischen Entscheidungsträgern klar vernommen wurde und auch Initiativen gestartet werden, der Beeinträchtigung der Natur entgegenzuwirken – nicht zuletzt im Einklang mit Aktivitäten wie »Fridays for Future«, aber auch mit anderen regional getragenen Initiativen, etwa mit der Landwirtschaft oder auch dem Lebensmittelhandel.“

„Was erhoffen Sie sich davon, wenn Forscher wie Sie jetzt den Zusammenhang von Naturzerstörung und Pandemien in die Öffentlichkeit bringen?“

Settele: „Dafür gibt es zwei wesentliche Motivationen. Erstens ist es wichtig, dass man diesen Zusammenhang erkennt, damit wir verstehen, was die indirekten und oft wichtigsten Ursachen der Pandemien sind. Das versetzt uns in die Lage, auch hier das Vorsorgeprinzip anzuwenden, anstatt abzuwarten und dann an den Symptomen zu arbeiten – wozu wir derzeit gezwungen sind. Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ist offensichtlich (…)“
(Interview-Auszug Ende)

Simone Sommer, Zoologin an der Universität Ulm, betont gleichfalls, dass Artenvielfalt ein wichtiger Schutz vor Zoonosen ist:

„Gibt es weniger Arten, hat es das Virus leichter, sich auszubreiten. Oft haben außerdem Tierarten Kontakt, die in intakten Ökosystemen nie aufeinandertreffen würden.
Was wir aus unserer Arbeit lernen, ist, dass Umweltschutz, Naturschutz, Vermeidung der Abholzung von Regenwäldern der beste Schutz vor Zoonosen ist.“

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-zoonose-artenschutz-100.html?fbclid=IwAR3Ar9ZYNmZ6HyIcVxeirdZLH0cP610xlkenQMTNur8w7YoXYckZwjVJclA:


Doch warum ist das so? Warum soll die Vernichtung der Artenvielfalt dazu beitragen dass Pandemien wie Corona „bessere“ Chancen haben, ihr Unwesen zu treiben?
Eine hohe Biodiversität führt durch eine höhere Artenanzahl zu einem Verdünnungseffekt. In komplexen und vielfältigen Lebensräumen wird es für einzelne Arten (so auch Viren) schwer, sich gegen die Gesamtheit „durchzusetzen“ und eine dominierende Rolle einzunehmen. Somit, eine ganz logische mathematische Folge, sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Erreger auf neue Wirte „übergehen“ und dort Schaden anrichten. In einem ungestörten Ökosystem können sich Arten gut verteilen und gut durchmischen. Viren finden so viel schwieriger passende Wirte. Das führt früher oder später zu einem Stop! der Ausbreitung. Eine Vielzahl der Arten verringert damit auch das Risiko, dass sich die Krankheit am Ende auch auf den Menschen überträgt.

Die Klimaerwärmung hat gleichfalls Einfluss auf Massenerkrankungen

Die auf 7-Meilenstiefeln voranschreitende Klimaerwärmung führt gleichfalls dazu, dass Arten ausgelöscht werden. Das massive Baumsterben heimischer Arten ist nur ein Beispiel davon. Nahezu aus jeder kleinsten Ecke der Welt existieren Beispiele. Auch unter Insekten führt die Klimaerwärmung zu einem Massensterben. Wetterextreme wie Hitzewellen und Dürren führen dazu, dass in vielen Teilen Europas und Nordamerikas Hummelarten sterben und „verdrängt werden“.

Zitat aus einem Bericht über eine Studie zum Hummelsterben „Das Entscheidende: Das Verschwinden der Insekten scheint dabei direkt mit dem häufigeren Auftreten von Wetterextremen wie Hitzewellen und Dürren zusammenzuhängen. Solche Extreme beeinflussten die Verbreitung der Hummeln mehr als der dauerhafte Anstieg der Durchschnittstemperatur, wie das Team berichtet. Die Ergebnisse zeigten zwar auch, dass die Hummeln mitunter in nördlichere, kühlere Regionen ausweichen. Allerdings besiedeln sie deutlich weniger dieser Ausweichhabitate als sie im Süden an Lebensraum verloren haben. „Wir wissen schon länger, dass der Klimawandel für viele Tiere ein erhöhtes Aussterberisiko bedeutet“, konstatiert Soroye. „Bei den Hummeln liegt dies offenbar an heißeren und häufiger auftretenden Extremtemperaturen.“

Siehe https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/klimawandel-verdraengt-hummeln/ und insbesondere die Originalquelle:
https://science.sciencemag.org/content/367/6478/685

Interessant und besorgniserregend zugleich ist beispielsweise die Verbreitung des „Usutu-Virus“ (Stichwort Amselsterben). Das Usutu-Virus wurde Ende der 50 Jahre erstmals in Afrika identifiziert. Es wird durch Stechmücken übertragen. Die Klimazonen verschieben sich aktuell. Das Usutu-Virus hat nun auch in Europa passende Lebensbedingungen und auch in unseren Gärten ganze Amselpopulationen dahingerafft. Übrigens ist es auch für den Menschen „nicht ganz ohne“…
Die Klimaerwärmung sorgt dafür, dass „neuartige“ Erkrankungen nun auch in Mitteleuropa heimisch werden und dort auf genetisch nicht angepasste Spezies treffen – Herzlich willkommen in der Evolution!
Gefällt auch uns Menschen nicht besonders gut – Die Evolution jedoch ist gnadenlos. Und da stehen wir nun mit unserem Talent – Als Verursacher der größten hausgemachten Krise, welche unser Planet jemals erlebt hat.

Das West-Nil-Virus beispielsweise (siehe bereits zitierten Spiegel online-Artikel) wurde 2018 erstmalig bei Wildvögeln in Deutschland festgestellt. Es betrifft uns Menschen und beispielsweise auch Pferde. Etwa jeder 140. Betroffene erkrankt schwer.
Unter anderem wird es durch die Asiatische Tigermücke übertragen, welche in großen Horden kleine Makler mit Aktentaschen nach Europa geschickt haben, um hier zu prüfen, ob nicht ein passendes Ansiedlungspotenzial vorliegt („Suche ein Haus mit Seeblick und Pferden und Menschen in der Nähe. Passt denn das Klima dort mittlerweile?“ „Ja, es passt: Anbieten könnten wir Ihnen….“. Nun, da haben wir den Salat.

Neuartig seit einigen Wochen (und noch nicht massenhaft in der Presse aufgetaucht) ist das Blaumeisensterben in unseren Gärten.

Der NABU schreibt ganz aktuell:
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/krankheiten/meisensterben.html
„Von der jetzt auftretenden Krankheit betroffen sind anscheinend vor allem Blaumeisen, in einzelnen Fällen auch Kohlmeisen oder andere kleine Singvögel. Die erkrankten Vögel werden meist in der Umgebung von Futterstellen in Gärten beobachtet und fallen dadurch auf, dass sie nicht mehr auf ihre Umwelt reagieren. Es wurde beobachtet, dass Blaumeisen, die kurz darauf starben, apathisch und aufgeplustert auf dem Boden saßen und keine Fluchtversuche bei sich nähernden Menschen unternahmen.
Weitere mutmaßliche Symptome der Krankheit sind, dass die Vögel wirken, als hätten sie Atemprobleme, Teile des Kopfgefieders sind ausgefallen, die Augen wirken verklebt. Sie nehmen kein Futter mehr auf oder können anscheinend nicht mehr schlucken. Manche Meisen wirken, als hätten sie unstillbaren Durst.“

Oder anders formuliert: Wir (fast alle) auf diesem Planeten stecken aktuell so richtig tief in der Scheiße – Und merken es nun leider auch am eigenen Leib. Wenn uns oftmals (leider) viele Mitbewohner und Arten auf der Erde ziemlich egal sind oder waren – so wird es höchste Zeit dieses zu ändern. Corona lässt grüßen und wird – auch nach Bewältigung der Krise (mit vielen vielen Toten) – in einem anderen Gewand zu uns Menschen wiederkehren.

Ein gelungener Kommentar der Autorin und Journalistin Tanja Busse dazu:

„Bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten gibt es also Momente, in denen man mit relativ kleinen Maßnahmen ganz viel Gefahr abwenden kann. Lässt man die verstreichen, wird das schlagartig sehr viel schwieriger, wenn nicht unmöglich. Solche Momente gibt es auch in der Klimaforschung – tipping points werden sie dort genannt, Kipp-Punkte: Wenn die Eiskappen an den Polen abschmelzen oder die Permafrostböden der Tundra auftauen zum Beispiel.
Seit in Norditalien an einem einzigen Tag mehr als hundert Menschen an CoVid-19 gestorben sind, ist der Ernst der Lage erkannt. Nicht zu handeln, wäre tödlich – das haben die Politiker*innen gesehen – und deshalb wird gehandelt, und zwar nicht zu knapp. Es ist einiges, was die Politik den Menschen gerade zumutet. Und niemand protestiert.
Es zeigt sich: Wenn der Ernst der Lage erkannt ist, sind enorme Veränderungen möglich. Daraus lässt sich einiges lernen – nämlich für all die anderen Politikfelder, in denen Wissenschaftler*innen schon lange den Ernst der Lage erkannt haben und mit großer Dringlichkeit Veränderungen einfordern. Die Klimakrise und der enorme Verlust der biologischen Vielfalt, den Biolog*innen als sechstes großes Massenaussterben der Geschichte bezeichnen.
Auch hier ist klar – ebenso wie bei der Corona-Pandemie: Einfach weitermachen ist gefährlich. Wir müssen handeln – und Einschränkungen akzeptieren, beim Reisen, beim Konsumieren, beim Essen, und je eher wir damit anfangen, desto eher haben wir eine Chance, den Schaden zu begrenzen.
Quelle: https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/politikum/kommentar-corona-klimaschutz-100.html

Ist nun die Zeit für Schuldzuweisungen nach dem Motto: „Wir haben es ja immer schon gewusst“?

Eher nicht (und ein klein wenig irgendwie doch). Zumal: Kaum jemand hat geahnt, was mit Corona auf uns zukommen kann. Kaum jemand? Nun (wie bereits erläutert), in „der Wissenschaft“ wurde vielfach auf mögliche Szenarien hingewiesen…Genau wie auf die Schadensmöglichkeiten durch Artensterben und Klimaerwärmung. Die (nahezu) einsamen Rufer in der Wüste. Weiter oben bereits erwähnt.

Und klar ist: Es gibt keinen Grund vor, während und nach einer (mehrfach hausgemachten) Krise (mit unterschiedlichen Faktoren und Facetten) mögliche Ursachen nicht zu benennen. Zu betonen: Es ist sogar eminent wichtig darauf hinzuweisen, damit sich das Debakel nicht wiederholt.

Beispiele für eine Ignorierung der Wissenschaft gibt es wie Sand am Meer: Die CDU-FDP-Fraktion des Landkreises Osnabrück bei der Gewässerrandstreifenthematik (das Tafelsilber der Artenvielfalt, so etwas wie der heilige Gral der Biodiversität) und die entsprechende Missachtung der Meinungen vieler honoriger WissenschaftlerInnen aus Uni und FH Osnabrück, nahezu alle Nationen auf diesem Planeten bei Berichten des „Club of Rome“, des Weltbiodiversitätsrates, des Weltklimarates…Wir sind also (nahezu alle) in unserer Ignoranz in ausgesprochen „guter“ (wohl eher schlechter) Gesellschaft.
Die Kurzfristigkeit menschlicher Profitgier ist ein unsäglicher Motor der Vernichtung unseres Planeten – auch wenn wirtschaftliche Notlagen durchaus ein gewisses menschliches Lateralverständnis für politische Kurzfristigkeits-Verantwortungslosigkeits-Entscheidungen hervorrufen.
Nun, was haben wir da aktuell im Angebot? Einmal mehr die Orgelpfeifen der Anhänger wirtschaftsliberaler/Neoliberaler Politik, welche in gewohnter Kurzsichtigkeit im Zuge der (absolut berechtigten) Bauernproteste in einigen Fällen allen Ernstes eine Verschiebung des Insektenschutz-Programmes der Bundesregierung fordern. Was für eine nahezu schon verblödungsresitente Verantwortungslosigkeit! Fast möchte man fragen: Warum löst Ihr Eure Partei nicht einfach auf, um endlich einmal etwas Sinnvolles gegen Artensterben und Klimaerwärmung zu leisten?

Gleichfalls unsäglich und scharf zu kritisieren die CDU-Abgeordnete Gitta Conemann (https://www.noz.de/lokales/melle/artikel/1939177/ernaehrungssicherung-als-staatsziel-in-melle-formuliert), welche, so der Presse zu entnehmen ist, die Aussage tätigte: „Das Aktionsprogramm Insektenschutz ist nichts anderes als eine klare Enteignung“, erklärte sie. Und: „Wir als CDU werden dem nicht zustimmen. Klar genug?“

Nun, eine reichlich eigenartige Aussage, da zu diesem Zeitpunkt das Bundeskabinett das Aktionsprogramm bereits als Beschlussvorlage statuiert hatte (welches somit in naher Zukunft dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt wird). Nepper-Schlepper-Bauernfänger (im wahrsten Sinne des Wortes)? Klassische Kurzsichtigkeit, leider nicht unübliche Lobbypolitik und einmal mehr eine Komplettignoranz gegenüber den mahnenden Stimmen der Wissenschaft. Solange solche PolitikerInnen tatsächlich „etwas zu sagen“ haben, wird das Problem der schwindenden Artenvielfalt (vermutlich) eher nicht gelöst werden – da hilft wohl auch nicht die Corona-Ursachenforschung. Ignoranz bleibt Ignoranz (oder doch nicht? Die Hoffnung stirbt zuletzt)…

Interessant ist aktuell bei Corona: Aktuell ist kaum ein Regularium NICHT vorstellbar (gut so!).:
Ausgangsperren, Kontaktverbote etc. Richtig und wichtig!
Warum jedoch erst jetzt bei den Symptomen einer hausgemachten Krise?
Das Artensterben und die Klimaerwärmung werden in den nächsten 30 Jahren in Mitteleuropa noch DEUTLICH DEUTLICH DEUTLICH schärfere Geschütze auffahren. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche.

Warum werden Gesetze und Vorschriften nicht schon bei den Ursachen angesetzt? Ok, zugegeben. Corona hat alle überrascht. Zugegeben auch: Warum sollte man sich als „Nicht-Virologe“ mit den Ursachen einer möglichen Pandemie auseinandersetzen? Das ist für uns Normalbürgerinnen/PolitikerInnen in etwas so weit entfernt wie das nächste Erdbeben in San Francisco entlang der San-Andreas-Verwerfung. Und dennoch: Kommen wird es. Auch das ist (in diesem Falle geologisch) so sicher, wie das Amen in der Corona-geleerten Kirche.

Vertreter einer konservativen Partei bedienen sich bei den Herausforderungen der Klimaschutzpolitik gerne eines „Narrativs“ (noch so ein Wort, welches in jüngster Vergangenheit an Bedeutung gewonnen hat): Es bedeutet gemäß Wikipedia: „Ein Narrativ ist eine sinnstiftende Erzählung, die Einfluss hat auf die Art, wie die Umwelt wahrgenommen wird. Es transportiert Werte und Emotionen, ist in der Regel auf einen Nationalstaat oder ein bestimmtes Kulturareal bezogen und unterliegt dem zeitlichen Wandel.“

Da wird gerne geäußert: „Klar wollen auch wir gegen die Klimaerwärmung aktiv werden. Es darf aber nicht über Ver- und Gebote geschehen. Marktanreize sollen es richten“. Hmmmh, genau. Lang lebe Margaret Thatcher. Auf dass sie ewig unvergessen bleibe.

Zum einen ist dieses natürlich eine erstklassige WählerInnentäuschung (schließlich existieren einerseits schon lange auch von konservativen Kreisen beschlossene Regularien (und das ist auch sehr gut so!!)), zum anderen wird das Jahrhundert-Jahrtausendproblem der Klimaerwärmung damit massiv heruntergespielt. „Ne Neee. So schlimm ist es doch gar nicht. Hier ein Marktanreiz, da ein Marktanreiz. Das regelt der Markt. Also liebe Leute, für diese Herausforderungen brauchen wir doch keine Verbote“.
Hallo McFly? Jemand zu Hause???
Der Club of Rome (ein Zusammenschluss internationaler WissenschaftlerInnen) warnte bereits in den 70ern davor, dass die natürlichen Ressourcen endlich seien.
Diesbezüglich existiert als Gradmesser aktuell der sog. „Welterschöpfungstag“. Dieser ermittelt, ab wann die natürlichen Ressourcen des Planeten verbraucht sind, wir also „global“ auf Pump leben.

Trotz der Mahnungen der „einsamen Rufer“ rückt der Welterschöpfungstag jedes Jahr näher. Die wissenschaftlich erhobenen, empirischen Daten sind eindeutig. Im Jahr 2000 lag dieser noch im Jahresverlauf am 1. November.
2010 waren bereits am21. August alle Ressourcen verbaucht. 2019 am 29 Juli (siehe Bild)…
Und das TROTZ der immer stärker werdenden Warnungen und Mahnungen.
Die Klimaerwärmung: Im allgemeinen Bewusstsein angekommen? Gemäß Statista-Plattform lag die Anzahl der Flüge in Europa in den letzten Jahren so hoch wie noch nie. Als ob es die Klimaerwärmung nicht gäbe….
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/255880/umfrage/anzahl-der-flugbewegungen-in-europa/
Seit 2013 steigt die Anzahl der Flüge kontinuierlich an. Oh…große Betroffenheit. „Also das geht doch nicht! Da müsste mal jemand…Also wir müssten doch eigentlich alle? Also wann wachen die Menschen endlich auf. Ich auch? Neiiin, also bei mir ist das so…..“ Ne genau. Is klar. Sagen wir es doch einfach mal ganz deutlich: Wir sind zu blöd, zu gierig oder es ist uns einfach scheissegal! Diese Mischung ist Ursache so etlicher Krisen, welche uns aktuell umgeben.

Und dann nochmal auf der Zunge zergehen lassen (wie der Eiswürfel am Nordpol im Zuge steigender CO2-Emissionen), die Aussagen etlicher konservativer oder wirtschaftsliberaler PolitikerInnen: „Die Klimaerwärmung stoppen wir durch Marktanreize. Ver- und Gebote sind völlig fehl am Platze!“
Sag das mal dem Eisbär, der kein Packeis mehr betreten kann. Sag das mal den Insekten, welche aufgrund von Klimazonen-Shifting aussterben. Sag das mal den Menschen, die kein Wasser mehr für ihre Landwirtschaft mehr haben (und haben werden). Sag das mal Millionen Bürgern in den Staaten x,y und z, welche aufgrund steigender Meeresspiegel und (neuer) arider Zonen ihre kulturelle Heimat verlassen müssen –und (völlig zu Recht) die Hoffnung auf ein neues Lebens in Europa haben und flüchten (so wie z.B. „wir Deutschen“ von 1880 bis 1885 in die USA emigrierten (ca. 800.000), oder im zweiten Weltkrieg etc.). Aber auch diesbezüglich reicht unser historisches Bewusstsein leider nicht, um Schlüsse oder Umkehrschlüsse auf die aktuelle Situation zu (be)ziehen (man verzeihe mir diesen Zynismus, die Fakten sind leider Schwarzmalerei-fördernd).
Fürchterlich und schlimm sind die Auswirkungen der Corona-Krise. Die Auswirkungen des Artensterbens und der Klimaerwärmung werden weitaus schlimmer werden.

Hausgemachte Probleme wie Corona, Artensterben und Klimaerwärmung lassen sich lösen. Aber niemals durch Freiwilligkeit. Niemals durch kurzfristige Interessens-Lobby-gesteuerte Entscheidungen und niemals durch eine aktive „Nach mir die Sintflut-Politik“. Dieses geht nur durch verantwortungsbewusste, weitsichtige Einschätzungen und selbstredend, wenn die Freiwilligkeit nicht ausreicht- durch Ver-und Gebote – unter massiver und intelligenter Einbeziehung der Wissenschaft. Bei Corona geht es doch auch, plötzlich….

Treffend, als Abschluss, eine Passage aus dem Berliner Tagesspielgel (https://www.tagesspiegel.de/politik/artensterben-und-naturzerstoerung-dieses-virus-ist-auch-der-preis-unserer-ausbeutung-der-natur/25676216.html?fbclid=IwAR0_tku5RwIkAKb00eBGQ8gc1KVzuQGpPJLQeMvbSdf_iZADMUVwGHmBTVQ):

„Nicht nur Viren breiten sich aus. Länder werden überflutet, Wälder brennen, Gletscher schmelzen, Ozeane erwärmen sich und Insekten sterben. Wir schauen zu wenig auf die Tatsache, dass ein überhebliches Mensch-Natur-Verhältnis viele unserer Probleme befeuert, meist sogar verursacht. Denn die großen Herausforderungen hängen zusammen: Klimawandel, der Verlust der biologischen Vielfalt und eben das Aufkommen ganz neuer Erreger, die uns Menschen immer wieder bedrohen. „
(…)
„Gesellschaften und ihre Regierungen konzentrieren sich auf das Hier und Jetzt. Sie kümmern sich nicht wirklich darum, ihre Rolle in der Natur neu zu bestimmen. Wir machen alle so weiter wie bisher – nehmen uns, was wir wollen, Warane für das heimische Terrarium oder Schuppentiere als exotische Delikatesse. Dass das Naturgefüge aus den Fugen geraten ist, wie der Klimawandel zeigt, nehmen wir zwar zur Kenntnis – aber ändern wollen wir aber nichts Grundlegendes.“

Inmitten der Coronavirus-Krise wird augenfällig, wie verantwortungslos es ist, den schlechten Zustand von biologischer Vielfalt und Klima hinzunehmen. Seit Jahrzehnten zögern Politiker biodiversitäts- und klimafreundliche Entscheidungen heraus. Unbeirrbar verweisen sie darauf, dass sich unsere Wirtschafts- und Lebensweise schrittweise anpassen müssen. Dabei zeigt die Krise: Wenn Gefahr im Verzug ist, sind schnelle und konsequente Maßnahmen möglich.

Also dann, ran!