Nächste Naturschutzfläche in Planung (Melle/Oldendorf)
Geschrieben:Die nächste Naturschutzfläche, gemeinsam mit dem Umweltbüro der Stadt Melle, befindet sich in der Planungsphase.
In Melle/Oldendorf an der Bushaltestelle Schürenort.
Nachdem wir in der Vergangenheit oftmals eher die Logik „Erst machen, dann fragen“ verfolgt haben (hat den Vorteil
bereits einen Fuß in der (eingetretenen) Tür zu haben (whahahaha) ;-)), mussten wir ja auch hier und da etwas „Lehrgeld“ zahlen.
Bei diesem Projekt nun, nicht zuletzt weil es ein Kooperationsprojekt mit der Stadt Melle ist, gehen wir nun etwas dezenter vor.
Heute wurden zunächst einmal Anschreiben an die Anrainer verteilt und auch schon das erste (positive :-)) Anrainergespräch geführt.
Worum geht es? Auf einer städtischen Fläche (ca. 800 m²) ist vorsichtig angedacht, dort eine naturschutzgerechte Beweidung durch einige unserer Schafe und Ziegen durchzuführen. Keine „extensive“ Beweidung sondern mehrfach im Jahr eine mehrwöchige „Stossbeweidung“
(hat ebenfalls sehr positive Auswirkungen). Auf dieser Fläche soll jedoch keine Blühwiese angelegt werden sondern eine Artenvielfalt durch Auszehrung der Fläche (je nährstoffärmer desto besser), natürlichen Saatguteintrag (Vögel, Wind)
und eine gezielte Tierbeweidung erreicht werden.
Das Projekt kann eine WIn-Win-Win-Situation hervorrufen:
Der kommunale Haushalt wird entlastet, weil die Pflege durch unsere Tiere keinen Cent kostet.
Gleichzeitig wiederum freuen wir uns, weil wir Ausgaben für Heu sparen. Unsere Tiere finden es gut auf einem frischen Grün zu gräsen, welches sich zudem
zwischen den Mahdzeiten „erholen“ kann (Weidehygiene).
Und viele viele Insekten, Amphibien, Reptilien, Wildblumen und Wildkräuter freuen sich, weil sie sich auf dieser Fläche ohne größere Störungen entwickeln können.
Aus Naturschutzsicht sehr wichtig:
* Das Areal wird sehr schonend gepflegt. Anders als bei einer maschinellen Pflege fallen bei einer Tiermahd kaum Amphibien, Reptilien, Kleinsäuger oder Insekten der Pflege zum Opfer. Dieses ist bei der anvisierten Fläche sehr sinnvoll, da dort zwei wertvolle Tümpel vorhanden sind.
* Der Verbiss der Schafe und Ziegen sorgt für Offenstellen im Boden. Dieses Orte können wichtige Refugien für Insekten darstellen
* Die „Hinterlassenschaften“ der Tiere können wertvolle Nahrungsbestandteile für verschiedene Insekten sein. Davon wiederum profitieren z.B. Fledermäuse und Vögel. Nach der Beweidung werden die „Hot-Spots“ der Schaf- und Ziegenausscheidungen abgetragen, damit keine Eutrophierung des Areals stattfindet.
* Als Effekt erhoffen wir uns die Ansiedlung verschiedener Wildblumen und Wildkräuter, welche einen sehr hohen Nutzen für die lokale Artenvielfalt in Melle erbringen.
Spatz (2017, S.21) schreibt: „Schon eine Änderung des Mahdkonzeptes durch Reduzierung der Schnitthäufigkeit, Abfuhr des Mähguts und eine schonende Mahdtechnik wird mittel- bis langfristig zu einer artenreicheren Wiese führen.“
„Die Stoßbeweidung ist eine kurzfristige intensive Beweidung mit einer hohen Besatzdichte. Sie kommt in ihrer Wirkung auf den Pflanzenbestand einer Mahd nahe, die aber Amphibien und Insekten schont“ (LLUR 2010, S. 15). Und weiter:
„So fördert ein kurzfristiger intensiver Besatz vor Beginn der Vegetationsperiode den Blütenreichtum und führt gekoppelt mit einer Stoßbeweidung am Ende der Vegetationsperiode zu einer starken Aushagerung der Fläche“
(ebda.). Auch Jedicke (2015, S. 46) hebt hervor: „Mahd ist stets mit hohen Tierverlusten verbunden, Beweidung hingegen in wesentlich geringerem Maße“.
Damit die Fläche nicht durch Nährstoffe angereichert wird sollten die „Hinterlassenschaften“ der Tiere regelmäßig
abgetragen werden (Pferdehalter werden das für eine Weidehygiene wichtige „Abäppeln“ kennen).
Gleichzeitig wiederum dient der Dung der Tiere verschiedenen Insekten auch als Nahrungselement.
Durch eine schonende Beweidung und die „Hinterlassenschaften“ der Tiere wird ein weiterer positiver
Effekt für Insekten und Folgenutzer erzielt. So wurde ermittelt, dass durch eine Weidenutzung beispielsweise
ein Anstieg von Fledermausarten verzeichnet werden kann, welcher mit sog. „korophagen“ Insekten in Verbindung
gebracht wird (Schorcht et al. 2003). Durch eine Beweidung entstehen durch den Verbiss der Tiere Offenstellen.
Davon profitieren insbesondere Heuschrecken und Tagfalter-Arten. „Beweidete andrasen sind zudem deutlich blütenreicher als
unbeweidete Flächen, sodass auch das Blütenangebot für Wildbienen langfristig scheint.
Eine hohe Wildbienen-Diversität korreliert mit geringer Vegetationsdeckung, und trockenen, offenen
Bodenverhältnissen“ (Lorenz, Tischew 2015, S. 92). „Beweidung fördert durch kleinräumig variierende Weideintensität in Verbindung mit
standörtlichen Differenzierungen wesentlich stärker als reine Mahdsysteme die Ausbildung von Lebensraumkomplexen (…). Eine
Reihe von Ressourcen können allein Weideregime bereitstellen: Dung (z.B. als Nahrungsressource für
Dungkäfer und -fliegen sowie Substrat für Pilze), (…) Tierpfade und allgemein Offenbodenstellen,
überständige Pflanzenstängel (z.B. als Überwinterungshilfe für Wirbellose) (…) (Jedicke 2015, S. 46, vgl. auch LLUR 2010, S.9)
Spatz, A.-K. (2017): Gemeinsam blühen lassen. In: bienen&natur. 7/2017. 20-21
Jedicke, E. (2015): Einführung Lebensraumtypen. In: Bunzel-Drüke, M.; Böhm, C.; Ellwanger, G.; Finck, P. et al., Naturnahe Beweidung und Natura 2000. S. 45-53
Schorcht, W.; M. Biedermann M.; I. Meyer, I.; Reisinger E.(2003): „Extensives Weideland“ – auch Lebensraum für Fledermäuse?
Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 40: 41-47
LLUR, Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (2010), Beweidung von Offen- und Halboffenbiotopen